Wörterbuch rheinischer Alltagssprache

übber

Erklärung

Das Wörtchen wird im Rheinland in vielfältiger Weise eingesetzt: "Der is mir übber (überlegen sein). Dat ewige Gemaule hab ich ich langsam übber (genug haben von etwas). Da bleibt bestimmt nix von übber (übrig bleiben). Lass mir no wat vonne Bratkartoffeln übber, ich komm heut abend wat später."

Wenn jemand "wat für einen übber" hat, dann wird man geliebt, verehrt oder hat bei ihm einen Stein im Brett: "Ich glaub, der Stefan hat viel für dich übber, der kuckt dich die ganze Zeit an!"

Man kann aber auch sagen: "Für Schampus hab ich nix übber."

Wenn man so viel Kuchen gegessen hat, dass man ihn nicht mehr mag, hat man sich den Kuchen "übbergegessen".

über

Erklärung

In der Wendung "mit über gehen" 'jemanden begleiten': "Komm, ich geh noch en Stücksken mit über."

Auch als "mit jemandem über sein": "Der war mit dem über, dann konnte der sich besser in dat Praktikum einfinden."

überschneiden

Erklärung

'durchschneiden': "Komm, ich schneid dir mal das Brot übber. Wenn Sie nur ein halbes Brot wollen, kann ich Ihnen das überscheiden."

Folgerichtig gibt es auch "übergeschnittenes" Brot.

Man kann auch Holz "übersägen" und "überbrechen". Diese Verwendung von "über" hört man nur im westlichen Rheinland von Simmerath bis ins Aachener Land.

übertun

Erklärung

In der Wendung "sich wat übertun" 'sich etwas überziehen': "Ich hab mir en Regencape übergetan, da bin ich trocken drunter geblieben."

Üffelche

Erklärung

Kosewort für ein kleines, trauriges Kind: "Nu sach dem Üffelche ma wat Nettes, sons wird et nich froh."

Text

Die meisten Menschen sprechen im Alltag kein gestochenes Hochdeutsch, sondern eine mehr oder weniger ausgeprägte Umgangssprache, auch Regiolekt genannt. Sie kann durchaus noch nahe an der Standardsprache sein, oder auch erkennbare dialektale Einflüsse haben. Immer ist sie aber deutlich von der Hochsprache unterschieden, die man in der Regel nur in ganz bestimmten Situationen, etwa in der Schule oder beim Bewerbungsgespräch spricht.

Das ist im Rheinland nicht anders als in Bayern oder Berlin, auch wenn der Abstand zur Standardsprache jeweils größer oder kleiner ist. Auch in Aachen, Köln, Duisburg oder Kleve spricht man ein rheinisch gefärbtes Deutsch, das ein für Außenstehende deutlich erkennbares Identifikationsmerkmal ist. Nur ist die Umgangssprache, anders als die Hochsprache, keine geschriebene Sprache.

Das Problem ist: Über die Standardsprache kann man sich in vielfältigen Wörterbüchern informieren, die alle aus den Werken berühmter Dichter:innen, aus Tageszeitungen oder Zeitschriften kompiliert sind. Umgangssprachliche Wörterbücher dagegen sind sehr selten, denn hier kann man keine schriftlichen Quellen auswerten, sondern ist auf die Sprecher:innen selbst angewiesen. Kein Wunder, dass zum Beispiel alle großen regionalen Dialektwörterbücher wie das Rheinische oder Pfälzische, mehrere Jahrzehnte bis zu ihrer Vollendung gebraucht haben, weil man auf mühselige und aufwendige Fragebogenerhebungen angewiesen war.

Um dies zu ändern, hat sich der ehemalige LVR-ILR Sprachwissenschaftler Peter Honnen Anfang der 2000er Jahre etwas ausgedacht: das Rheinische Mitmachwörterbuch. Die Idee: Mithilfe des Internets sollten die Sprecher:innen mit ihm zusammen ein Wörterbuch der rheinischen Umgangssprache erstellen. Von 2007 bis 2019 konnten Wortvorschläge, am besten mit Bedeutungsangabe und Beispielsatz, auf der Homepage eintragen werden, diese wurden dann umgehend von Peter Honnen gesichtet und veröffentlicht. Zu bestehenden Worteinträgen konnten dann in Kommentaren Informationen ergänzt werden, so war es zum Beispiel von großem Interesse, an welchen Orten überall ein bestimmtes Wort bekannt ist. So ist über die Jahre ein stattliches Wörterbuch herangewachsen: Etwa 4.500 Wörter sind darin nun verzeichnet. Eine solch umfangreiche Dokumentation des alltagssprachlichen Wortschatzes einer Region, die auch noch von den Sprecher:innen selbst angefertigt wurde, ist einmalig im deutschen Sprachraum. Wir danken allen Beitragenden, die über die Jahre das Projekt unterstützt und bereichert haben und freuen uns, dass der Wortschatz der rheinischen Umgangssprache in diesem Online-Wörterbuch nun hervorragend dokumentiert und für jede:n zugänglich ist!