Wörterbuch rheinischer Alltagssprache

geflickt

Erklärung

In der Wendung "einen geflickt kriegen" 'einen Stromschlag bekommen': "Wenn ich den Schlüssel in die Autotür stecke, kriege ich leicht einen geflickt bei dem trockenen Wetter."

gegessen

Erklärung

'erledigt, vorbei': "Dat kannsde vergessen, die Sache is erledigt. Die Geschichte is doch längs gegessen, wat fängsde denn jetz auf eima widder davon an? Ja, mein Mann kommt immer schon gegessen vonne Arbeit nach Hause! (wenn jemand schon (auswärts) gegessen hat)."

gehackt

Erklärung

In der Wendung "sich gehackt legen können/sollen" 'den Buckel herunter rutschen, einen gerne haben können' (Ausdruck stärkster Verärgerung): "Dreimal hab ich den Kalle vonne Pinte abgeholt, datter sein Führerschein nich quitt wird. Letzte Mal hatter mir fast innen Wagen gegöbelt. Der kann sich in Zukunft gehackt legen, ich hab die Faxen dicke."

Gehacktes

Erklärung

"Jehacktes" 'Hackfleisch' ("Gehacktes" wird im Rheinland eigentlich nicht dekliniert, auch wenn man immer öfter "dat is aus Gehacktem gemacht" hört; auch die Variante "dat Gehackte is nich mehr gut" ist neueren Datums): "Tus de wat vom Schweinejehacktes auven halbes Brötchen, enen Ring Zwiebeln drauf, un färtisch issen Mettbrötchen. Die Mamma macht de Frikadellen aus Gehacktes Halbunhalb, mit nem Ei dran und weenisch Paniermehl. Bring noch wat Gehacktes mit!"

gehen

Erklärung

Im Sinne von 'funktionieren, klappen': "Wat nich geht, geht nich. Der Fernseher geht nich mehr, gestern ging er noch. Komm, ein Bier geht noch! Gestern war et so voll auf der Autobahn, da ging nix mehr. Also beim besten Willen, et geht nich mehr, mir tun die Füße weh."

Am Niederrhein wird gehen auch als Aufforderung benutzt: "Geh ma auf die Bank sitzen."

Es gibt auch die Wendung "so gehen" für etwas, das nicht besonders toll oder wünschenswert, aber immerhin akzeptabel ist: "Wie war Dein Tach? Ach joo, weißde, geht so. Meinem faulen Herrn Sohn sein Zeuchniß, dat geht graade noch so eben datter auf-de Realschule kommt. (um Haaresbreite am Misserfolg vorbei schrammen). Also wass-ich von euerm Neuen aufem Spielfeld gesehen hab, hm, das geht so, abber für de Kreisliiga, da muss er noch kräftich träniern, sons wirt-at-nix."

"umgehen" 'verderben bei bestimmten Lebensmitteln': "Pass auf bei dem schwülen Wetter, daß Dir dir Milch nich umgeht."

Schön ist auch die umgangssprachliche Verwendung im Sinne von 'tun': "Wenn ich den schon seh, da könnt ich laufen gehn! Solln wir schwimmen gehn?"

Man kann drüber hinaus auch "Pleite gehen": "Die Bude anne Ecke is jetz auch Pleite gegangen" oder verloren gehen: "Der Schlüssel is irgenswie verloren gegangen."

Man kann auch "miteinander gehen" 'eine Liebesbeziehung haben': "Ich glaub, die beiden gehen zusammen, oder? (heute allerdings schon wieder veraltend)."

Danach kann man dann "heiraten gehen": "Morgen gehn wir heiraten."

"nicht nach gehen können" 'sich nicht orientieren können': "Nach den Konfektionsgrößen kanns se heute nich mehr gehen. Nach dem sein Quatsch kanns de nich gehen."

Schließlich noch die im nördlichen Rheinland zu hörende Variante "Et geht sich dabei darum, dat der dat nich mehr tut" oder "Eigentlich gehdet sich darum, erst mal den Abschluss zu machen, bevor man den dicken Mann makiert" und "Darum gehdet sich doch gaa nich!"

"geht-nich-mehr" meist in der Wendung "bis zum geht-nich-mehr" 'bis zur Grenze des Erträglichen/Möglichen': "Der hat mich gepiesackt bis zum geht-nich-mehr. Ich hab die Karre gefahren bis zum geht-nich-mehr."

Text

Die meisten Menschen sprechen im Alltag kein gestochenes Hochdeutsch, sondern eine mehr oder weniger ausgeprägte Umgangssprache, auch Regiolekt genannt. Sie kann durchaus noch nahe an der Standardsprache sein, oder auch erkennbare dialektale Einflüsse haben. Immer ist sie aber deutlich von der Hochsprache unterschieden, die man in der Regel nur in ganz bestimmten Situationen, etwa in der Schule oder beim Bewerbungsgespräch spricht.

Das ist im Rheinland nicht anders als in Bayern oder Berlin, auch wenn der Abstand zur Standardsprache jeweils größer oder kleiner ist. Auch in Aachen, Köln, Duisburg oder Kleve spricht man ein rheinisch gefärbtes Deutsch, das ein für Außenstehende deutlich erkennbares Identifikationsmerkmal ist. Nur ist die Umgangssprache, anders als die Hochsprache, keine geschriebene Sprache.

Das Problem ist: Über die Standardsprache kann man sich in vielfältigen Wörterbüchern informieren, die alle aus den Werken berühmter Dichter:innen, aus Tageszeitungen oder Zeitschriften kompiliert sind. Umgangssprachliche Wörterbücher dagegen sind sehr selten, denn hier kann man keine schriftlichen Quellen auswerten, sondern ist auf die Sprecher:innen selbst angewiesen. Kein Wunder, dass zum Beispiel alle großen regionalen Dialektwörterbücher wie das Rheinische oder Pfälzische, mehrere Jahrzehnte bis zu ihrer Vollendung gebraucht haben, weil man auf mühselige und aufwendige Fragebogenerhebungen angewiesen war.

Um dies zu ändern, hat sich der ehemalige LVR-ILR Sprachwissenschaftler Peter Honnen Anfang der 2000er Jahre etwas ausgedacht: das Rheinische Mitmachwörterbuch. Die Idee: Mithilfe des Internets sollten die Sprecher:innen mit ihm zusammen ein Wörterbuch der rheinischen Umgangssprache erstellen. Von 2007 bis 2019 konnten Wortvorschläge, am besten mit Bedeutungsangabe und Beispielsatz, auf der Homepage eintragen werden, diese wurden dann umgehend von Peter Honnen gesichtet und veröffentlicht. Zu bestehenden Worteinträgen konnten dann in Kommentaren Informationen ergänzt werden, so war es zum Beispiel von großem Interesse, an welchen Orten überall ein bestimmtes Wort bekannt ist. So ist über die Jahre ein stattliches Wörterbuch herangewachsen: Etwa 4.500 Wörter sind darin nun verzeichnet. Eine solch umfangreiche Dokumentation des alltagssprachlichen Wortschatzes einer Region, die auch noch von den Sprecher:innen selbst angefertigt wurde, ist einmalig im deutschen Sprachraum. Wir danken allen Beitragenden, die über die Jahre das Projekt unterstützt und bereichert haben und freuen uns, dass der Wortschatz der rheinischen Umgangssprache in diesem Online-Wörterbuch nun hervorragend dokumentiert und für jede:n zugänglich ist!