Wörterbuch rheinischer Alltagssprache

abnudeln

Erklärung

'verbrauchen, verschleißen, abnutzen', meist als Partizip "abgenudelt": "Die Schraube is total abgenudelt, die krichsde nie mehr los. Die Platte is total abgenudelt, ich kann die nich mehr hörn."

abpfeifen

Erklärung

'hinunterfallen, abstürzen, den Geist aufgeben': "Mach den Nagel grade rein, sonst pfeift dat Bild direkt wieder ab. Wegen dem blöden Köter is mir dat Küchentablett abgepfiffen. Mein PC is abgepfiffen."

abplacken

Erklärung

'abrackern, schwer arbeiten': "Der is sich nur am abplacken." (Siehe "placken"). Auch "abplackern".

abrackern

Erklärung

'arbeiten, sich vergeblich abmühen': "Hab mich den ganzen Tag abgerackert, hat aber nix gebracht. Der hat sich sein ganzes Leben abgerackert."

Abraham

Erklärung

In der Wendung "den Abraham sehen" 'den fünfzigsten Geburtstag feiern': "Na, hasde auch schon den Abraham gesehen?" Etwas Gehässigkeit und Schadenfreude schwingt schon mit, wenn man im Norden des Rheinlands oder im Bergischen Land und im Ruhrgebiet auf diese etwas seltsame Weise nach Abraham gefragt wird. Bedeutet es doch, dass der- oder diejenige den fünfzigsten Geburtstag bereits gefeiert hat. Andererseits gilt man dagegen, wenn man den Abraham noch nicht gesehen hat, als unerfahren und noch grün hinter den Ohren; eine andere Variante dieser Bedeutung ist: "Da hasse noch in Abrahams Wurstkessel gesessen." Wie man es auch dreht, auf jeden Fall ist man immer entweder zu jung oder schon zu alt. Manche Rheinländer*innen kennen
noch die Gewohnheit, dem Geburtstagskind zum Anlass des 50. Geburtstages eine
kleine Abrahamfigur zu überreichen. In den angrenzenden Niederlanden ist der
Brauch noch heute verbreitet, dort wird eine Abrahamfigur in den Vorgarten
gestellt. Folgerichtig heißt die 50. Geburtstagsfeier deshalb oft auch das
Abrahamsfest. Die Redewendung geht auf den Bibelvers Johannes 8, 56ff zurück,
wo Jesus in einem Streitgespräch sagt: "Euer Vater Abraham jubelte, weil er
meinen Tag sehen sollte. Er sah ihn und freute sich. Die Juden entgegneten
ihm: Du bist noch nicht 50 Jahre alt und willst Abraham gesehen haben? Jesus
sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage Euch: Ehe Abraham war, bin ich." Früher gab es auch "Abrahams Wurstkessel" ("Wooschkessel"), aus dem angeblich die Kinder kamen.

Text

Die meisten Menschen sprechen im Alltag kein gestochenes Hochdeutsch, sondern eine mehr oder weniger ausgeprägte Umgangssprache, auch Regiolekt genannt. Sie kann durchaus noch nahe an der Standardsprache sein, oder auch erkennbare dialektale Einflüsse haben. Immer ist sie aber deutlich von der Hochsprache unterschieden, die man in der Regel nur in ganz bestimmten Situationen, etwa in der Schule oder beim Bewerbungsgespräch spricht.

Das ist im Rheinland nicht anders als in Bayern oder Berlin, auch wenn der Abstand zur Standardsprache jeweils größer oder kleiner ist. Auch in Aachen, Köln, Duisburg oder Kleve spricht man ein rheinisch gefärbtes Deutsch, das ein für Außenstehende deutlich erkennbares Identifikationsmerkmal ist. Nur ist die Umgangssprache, anders als die Hochsprache, keine geschriebene Sprache.

Das Problem ist: Über die Standardsprache kann man sich in vielfältigen Wörterbüchern informieren, die alle aus den Werken berühmter Dichter:innen, aus Tageszeitungen oder Zeitschriften kompiliert sind. Umgangssprachliche Wörterbücher dagegen sind sehr selten, denn hier kann man keine schriftlichen Quellen auswerten, sondern ist auf die Sprecher:innen selbst angewiesen. Kein Wunder, dass zum Beispiel alle großen regionalen Dialektwörterbücher wie das Rheinische oder Pfälzische, mehrere Jahrzehnte bis zu ihrer Vollendung gebraucht haben, weil man auf mühselige und aufwendige Fragebogenerhebungen angewiesen war.

Um dies zu ändern, hat sich der ehemalige LVR-ILR Sprachwissenschaftler Peter Honnen Anfang der 2000er Jahre etwas ausgedacht: das Rheinische Mitmachwörterbuch. Die Idee: Mithilfe des Internets sollten die Sprecher:innen mit ihm zusammen ein Wörterbuch der rheinischen Umgangssprache erstellen. Von 2007 bis 2019 konnten Wortvorschläge, am besten mit Bedeutungsangabe und Beispielsatz, auf der Homepage eintragen werden, diese wurden dann umgehend von Peter Honnen gesichtet und veröffentlicht. Zu bestehenden Worteinträgen konnten dann in Kommentaren Informationen ergänzt werden, so war es zum Beispiel von großem Interesse, an welchen Orten überall ein bestimmtes Wort bekannt ist. So ist über die Jahre ein stattliches Wörterbuch herangewachsen: Etwa 4.500 Wörter sind darin nun verzeichnet. Eine solch umfangreiche Dokumentation des alltagssprachlichen Wortschatzes einer Region, die auch noch von den Sprecher:innen selbst angefertigt wurde, ist einmalig im deutschen Sprachraum. Wir danken allen Beitragenden, die über die Jahre das Projekt unterstützt und bereichert haben und freuen uns, dass der Wortschatz der rheinischen Umgangssprache in diesem Online-Wörterbuch nun hervorragend dokumentiert und für jede:n zugänglich ist!