Angenendt

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Angenendt, Opgenhoff, Ingenbleek – ein bisschen fremd klingen diese Namen beim ersten Hören wohl in den Ohren derer, die sie nicht tragen. Doch grade am unteren Niederrhein sind Namen wie jene vielfach belegt und verbreitet. Es handelt sich bei diesen Namen um sogenannte Wohnstättennamen, die jeweils aus einer Präposition (An-, In-, Op-), einem Artikel (-gen-) und einer Ortsbezeichnung (-endt ‚Ende‘, -hoff ‚Hof‘, -bleek ‚Rasen‘) bestehen und damit eine ähnliche Bildungsweise wie Opdenhövel oder van de Sand aufweisen. Schnell wird aber ein Unterschied zwischen den Namen der Form Opdenhövel und Angenendt deutlich: Während bei Opdenhövel der uns bekannte Artikel den steht, findet sich bei Angenendt an dieser Stelle gen. Der Lautwandel von -den- zu -gen- wird Velarisierung genannt (an den > angden > anden). Auch bei den Familiennamen Frings oder Krings findet man etwa Beispiele für diesen Wandelprozess.

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Am Ende der Straße | © Sebastian Rittau, CC0
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Am Ende der Straße | © Sebastian Rittau, CC0

Besonders interessant sind diese Namen mit Präposition und Artikel vor allem auch, weil sie zwar bis ins Spätmittelalter in vielen Regionen des deutsch-niederländischen Sprachgebietes vorkamen, danach aber schwanden und nur noch im heutigen Niederdeutschen wie Niederländischen zu finden sind. Grund dieses Verlustes ist, dass zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert die seit dem Mittelalter individuell vergebenen Beinamen erblich wurden und im Zuge dessen Artikel und Präpositionen normalerweise entfielen. Im Nord- und Südwesten des deutschsprachigen Gebietes sind sie allerdings bis heute erhalten. Die alten Namen mit Ingen-, Angen- und Opgen- sind dabei nahezu exklusiv am Niederrhein verbreitet (vgl. Cornelissen 2013, S. 53).

Auch wenn sich deutsche und niederländische Familiennamen teilweise ähnlich sind, besonders natürlich entlang der heutigen Staatsgrenze, zeigen sich doch grade bei Betrachtung einiger Wohnstättennamen deutliche Unterschiede. In Deutschland existieren vor allem solche Namen, denen weder Präposition oder Artikel vorangestellt sind – grade die Tilgung des Artikels ist ein formales Kriterium für den Übergang zwischen Bei- und Familiennamen. Namen, die auf Wohnstättenbezeichnungen zurückgehen, werden in Deutschland stattdessen häufig durch die Endungen -er oder -mann gebildet: Lindemann/Lindner, Bergmann/Berger. In den Niederlanden sind Familiennamen mit Präposition und Artikel hingegen der Normalfall und häufig vorhanden, auch wenn es natürlich auch solche ohne Präposition oder Artikel gibt. Im Gegensatz zum deutschen Familiennamensystem sind in den Niederlanden Bildungen auf -er vollkommen unbekannt, hier dominiert im Norden und Osten die Bildung auf -man(s), im Südwesten finden sich zudem häufig Familiennamen, die auf -aard enden. Eine Besonderheit weisen aber grade die niederländischen Namen, in denen Präposition und Artikel verwendet werden, auf – oftmals verschmelzen sie zu Formen wie Ver- (Van der > Vander > Ver), Ter- (Te der > Teder > Ter) oder Ten- (Te den > Teden > Ten).

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Hier könnte auch jemand mit dem Namen Lindemann oder Lindner gelebt haben | © Schorle, CC BY-SA 4.0
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Hier könnte auch jemand mit dem Namen Lindemann oder Lindner gelebt haben | © Schorle, CC BY-SA 4.0