Fahrrad

Text

Als das Fahrrad im 19. Jahrhundert aufkam, brauchte es einen „Namen“ – im Hochdeutschen wie in den Dialekten. Im Rheinland verwandte man zum Beispiel die Bezeichnungen Velociped (hochdeutsch) und Filoßepee oder Filleßepee oder Flitsepee (auf Platt), und es gab noch viele weitere Lautvarianten. Als das damalige Amt für rheinische Landeskunde im Jahr 1989 mit Hilfe eines Fragebogens die dialektalen Bezeichnungen für das Fahrrad sammelte, kamen noch sehr viel mehr phonetische Varianten zusammen (Cornelissen/Krieger 1990). Interessant war, dass die Dialektsprecher und Dialektsprecherinnen im Kreis Kleve, also im Nordwesten des Rheinlands, diese Bezeichnung nicht nannten; auf ihren Fragebögen war dagegen sehr häufig Fitz zu finden.

Auf der hier vorgestellten Karte geht es allerdings nicht um den Dialekt, sondern um die regionale Umgangssprache, also um den Regiolekt. Die Karte basiert auf einer Fragebogenerhebung des Jahres 2005, wobei hier die Antworten der damals 16- bis 24-Jährigen kartiert werden. Fitz (rot) war besonders oft für die Kommunen im Kreis Kleve einzuzeichnen, also für das Gebiet zwischen Kleve, Rees und Wachtendonk. Diese Bezeichnung wurde außerdem im Norden des Nachbarkreises Wesel gemeldet (Schermbeck, Voerde); schließlich ist das Rot von Fitz noch im äußersten Westen, in der Gemeinde Selfkant, zu finden. Aufgrund des hier angewendeten Auswertungsverfahrens (siehe unten) schlagen sich allerdings für einige weitere Orte die dort zu verbuchenden Fitz-Belege nicht in den Symbolen auf der Karte nieder. Im Kreis Kleve gilt das für Kevelaer, Kerken und Rheurdt, im Kreis Wesel für Hamminkeln, Wesel, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn, ferner für Duisburg, Mönchengladbach, Heinsberg und Waldfeucht. Auch dort ist Fitz noch nicht ganz aus der Erinnerung geschwunden.  

Bild
Fahrrad  | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
Bildunterschrift
Fahrrad | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Auf dem Fragebogen waren drei Bezeichnungen vorgegeben worden: Rad – Fahrrad – Fitz. Rad (hellgrün) und Fahrrad (dunkelgrün) verteilen sich auf der Karte „bunt“ über alle Regionen des Rheinlands – wobei immer auch mit Lautformen wie Radd und Farradd (also mit kurzem a) zu rechnen sein dürfte.

Fitz ist ein Lehnwort aus dem Niederländischen, dort fiets geschrieben; das Buchstabenpaar ie steht im Niederländischen, anders als im Deutschen, nicht für einen langen i-Laut, so dass die Aussprache von fiets dem dialektalen Fitz auf der deutschen Seite der Grenze nahekommt. Aus rheinländischer Sicht wurde fiets (Fitz) aus dem Westen und Nordwesten übernommen – was sich im Kartenbild exakt niederschlägt. Bei der Dialekterhebung des Jahres 1989 hatte sich eine ganz ähnliche Verteilung der Fitz-Belege gezeigt, nur dass sich am linken Niederrhein auch im Kreis Viersen und ebenfalls im Aachener Raum Fitz hatte finden lassen. Die Verwendung von Fitz geht zurück, das Fitz-Areal wird kleiner.

Übrigens wurde am Niederrhein als Wortgeschlecht im Dialekt (1989) oft männlich angegeben; dagegen ist wohl anzunehmen, dass es im Regiolekt junger Leute heute meist die Fitz heißt.

Die Etymologie des niederländischen Wortes fiets ist nicht ganz zweifelsfrei geklärt. Früher dachte man eine Zeitlang, fiets sei vom Namen eines Fahrradhändlers in der Stadt Apeldoorn herzuleiten, der Viets hieß. Dann zeigte sich jedoch, dass die Kinder in Apeldoorn ihr Fahrrad bereits fiets nannten, bevor besagter Händler sein Geschäft in dieser Stadt eröffnet hatte. Wahrscheinlicher ist wohl, dass das Zweirad seine Bezeichnung einem dialektalen Tätigkeitswort verdankt: vietse oder fietsen (nach deutschen Regeln vitze/fitzen zu schreiben). Dessen Bedeutung war/ist ‚rennen‘ oder ‚sich schnell bewegen‘ (Sanders 1997, S. 37-39).

Von den jungen Leuten, die 2005 den Fragebogen ausgefüllt haben, wurde einige Male auch Bike in der Spalte „andere“ ergänzt, so zum Beispiel in Neuss, Vettweiß oder Bergisch Gladbach. Auch Drahtesel kam immer mal wieder vor, beispielsweise in Schwalmtal, Düren oder Mechernich.

Zur Kartierungsmethode: Es wurden für eine Kommune im Höchstfall zehn Fragebögen berücksichtigt; lagen mehr Bögen für diese Altersgruppe vor, wurden nur die zehn vom Alter her in der Mitte liegenden Personen einbezogen. Wurde für eine Kommune nur eine einzige Variante gemeldet, ist das Kreissymbol einfarbig gefüllt. Das Halbe-halbe-Symbol zeigt an, dass zwei Varianten gleich stark waren. Kam eine Variante häufiger als eine/die zweite vor, wurde das Dreiviertelsymbol gewählt. Lila wird in zwei Fällen verwendet, nämlich dann, wenn es eine andere zahlenmäßige Variantenkonstellation gab oder wenn eine weitere, nicht in der Kartenlegende aufgeführte Bezeichnung (wie etwa Bike) anzuzeigen war.