Werthhoven

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Werthhoven, zur Gemeinde Wachtberg gehörend, liegt linksrheinisch ganz im Süden von Nordrhein-Westfalen. Wer hier des Dialekts mächtig ist, spricht "Ripuarisch". Im August und September 2020 hat das ILR-Sprachteam in Werthhoven eine Fragebogenerhebung zum Dialekt durchgeführt, Anlass war das Werthhovener Ortsjubiläum: Vor 1250 Jahren, anno 770, wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt.

Mit Hilfe des Bürgervereins Werthhoven konnten für dieses Projekt Gewährsleute gefunden werden: Es kamen schließlich elf Fragebögen zusammen, zumeist ausgefüllt von Menschen, die zwischen 1931 und 1961 geboren wurden (zehn Personen); die elfte Person war deutlich jünger, sie gehörte dem Jahrgang 1983 an. Drei dieser elf Werthhovener:innen waren Zugezogene, so dass ihr Dialekt auch durch die Sprache eines anderen Ort geprägt sein könnte. Drei Frauen und acht Männer haben mitgemacht.

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Ausschnitt aus dem Wenkerbogen aus Werthhoven (ehemals Pissenheim) | © Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas, Marburg
Bildunterschrift
Ausschnitt aus dem Wenkerbogen aus Werthhoven (ehemals Pissenheim) | © Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas, Marburg

Der Erhebungsbogen enthielt 30 Fragen. Unter Punkt 12 war die dialektale Entsprechung von ‚Dorf‘ einzutragen: Alle Gewährsleute schrieben Dörp (oder auch Dörrep oder Dörep). Die alte Form mit p ist also stabil, während heute im benachbarten Bonn auch Dorf zu hören ist. Dass einige Kilometer weiter südlich, etwa in den zur rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Grafschaft gehörenden Dörfern Lantershofen oder Karweiler, statt Dörrep heute Dörref gesagt wird, ist im "Grafschafter Wortschatz" nachzulesen (siehe Prothmann 2009, S. 178).

Die Frage 7 zielte auf die Lautvariante(n) von 'Woche'. Zwei der Gewährsleute nannten Wauch, darunter eine der zugezogenen Personen. Auf einem Fragebogen fehlte die Angabe, die übrigen Informant:innen schrieben Woch. Wauch ist die ältere Variante, die heute offensichtlich nur noch wenig verwendet wird; mehr zum Verhältnis der Varianten mit und ohne Zwielaut ist im Kommentar zur Karte "Taisch" zu finden. Am 25. September 2020 fand in Werthhoven ein dialektologischer Dorfrundgang statt, an dem acht der elf Gewährspersonen teilnahmen. Auf Nachfrage wurden dabei weitere Belege für die alten Varianten genannt, so etwa Lauch neben Loch 'Loch'.

Recht überraschend waren die Ergebnisse zu Frage 26:  Zeit – Zeiten (Einzahl – Mehrzahl). In Köln und Umgebung sagt man Zick – Zigge, die Veränderung des Konsonanten hin zu k oder g wird als Velarisierung bezeichnet. Wie weit die kölnisch-rheinische Form Zigge (einschließlich Zegge) im ausgehenden 19.Jahrhundert verbreitet war, zeigt eine von Theodor Frings nach dem Material von Georg Wenker gezeichnete Karte (siehe Cornelissen 2019, S. 77). Pissenheim oder Euskirchen lagen damals südlich des Zigge-Gebietes rund um Köln, man sagte in Pissenheim also Zidde.

Und heute? Drei der acht aus Werthhoven Stammenden meinten Zitt – Zidde, fünf Zick – Zigge! Bei den Zugezogenen kamen ebenfalls alle Varianten vor. Eine bemerkenswerte Vielfalt! Bei 'heute' (höck) und 'Leute' (Löck) hatten dagegen alle Informant:innen velarisierte Formen.

Ihren Wohnort nennen die Dialektsprechenden heute Pössem. Referenzform ist Pissenheim, der alte Ortsname, der 1934 zugunsten von Werthhoven aufgegeben wurde. Als 1884/85 der Dialektfragebogen von Georg Wenker in Pissenheim ausgefüllt wurde, lautete der Ortsname noch "Peussem" (siehe Abbildung), man hätte auch Pöißem schreiben können. Aber wie sich Wauch zu Woch wandelte, so hat sich Pöißem zu Pössem entwickelt.  

Das ILR dankt allen Gewährsleuten und dem Bürgerverein Werthhoven für ihre Unterstützung!