Herzogenrath

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Die Stadt Herzogenrath liegt in der Städteregion Aachen und grenzt im Westen an die Niederlande. Damit liegt die Stadt, ähnlich wie KölnJülich und Düren, im ripuarischen Sprachgebiet. Mehr dazu, wo das -rath in Herzogenrath und der Name der Burg auf dem Titelbild herkommen, finden Sie im Artikel zu Rodungsnamen im Rheinland.

Der Dialekt, der in Herzogenrath gesprochen wird, wird von Dialektsprecher:innen ‚Roater Platt‘ genannt und hat einige Merkmale mit anderen ripuarischen Dialekten gemeinsam. Ein Beispiel hierfür ist die Tatsache, dass die frühneuhochdeutsche Diphthongierung nicht durchgeführt wurde, sich die Vokale i, u und ü also nicht wie in der Standardsprache (‚Hochdeutsch‘) zu Diphthongen (Zwielauten) gewandelt haben. Dies zeigt sich im Wenkerbogen der Stadt z.B. bei den Wörtern Is ‚Eis‘, Hus ‚Haus‘ und ‚Leute‘. Außerdem ist dies an der Bezeichnung für eine sagenumwobene Räuberbande zu erkennen, die für die Geschichte der Stadt von großer Bedeutung ist: die Bockreiter. Diese Gesellen, die laut der Legenden rücklings auf Böcken ritten und in der Stadt ihr Unheil trieben, werden im Herzogenrather Platt Bockrijjer genannt. Das ei aus ‚Reiter‘ blieb im Dialekt also ein i.

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Die Burg Rode in Herzogenrath | © Birgit Haan
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Die Burg Rode in Herzogenrath | © Birgit Haan

Ein typisches ripuarisches Merkmal ist auch die Velarisierung, bei der nd und nt weiter hinten im Mund artikuliert und so zu ngk und ng werden. Dies zeigt sich im Herzogenrather Wenkerbogen z.B. bei den Wörtern Wengter ‚Winter‘, anges ‚anders‘ und Kenk ‚Kind‘. Ebenfalls in den Wörtern Wengter und Kenk zu sehen ist das rheinische Merkmal der Senkung der Kurzvokale. Das kurze i in ‚Winter‘ und ‚Kind‘ wird zum e, bei dem die Zunge weiter abgesenkt ist.

Ein weiteres Merkmal der Aussprache, welches im ripuarischen Raum verbreitet ist, ist der Zusammenfall der Laute ch (wie in ich) und sch. Zwischen diesen beiden Lauten machen viele Sprecher:innen keinen Unterschied und ch wird entweder als sch ausgesprochen oder als sogenannter Zwischenlaut, der eine Art Mittelweg zwischen den beiden Lauten darstellt. Im Artikel zur Koronalsierung gibt es Hörbeispiele zu den drei verschiedenen Lauten.

Durch seine Nähe zu Aachen weist der Herzogenrather Dialekt auch einige Merkmale auf, die im Aachener Raum besonders sind und sich von anderen ripuarischen Varietäten unterscheiden. Hierzu gehört die sogenannte Vokalisierung. Dabei handelt es sich um einen Lautwandel, der sich auch im Niederländischen vollzogen hat, wo er dazu geführt hat, dass l vor dentalen Lauten (Laute, die an den Zähnen gebildet werden) wie t und d zu einem Vokal, u, wurde. Durch die Nähe zur niederländischen Grenze gibt es diesen Lautwandel auch in Dialekten in und um Aachen. Dies zeigt sich im Herzogenrather Wenkerbogen in Satz 4:

De joe aue Mann es mett et Päd dörch et Is gebroéche än en et koét Wasser gefalle. (Hervorhebung durch AH)
‚Der gute alte Mann ist mit dem Pferde durch’s Eis gebrochen und in das kalte Wasser gefallen.‘

Im Wort aue ist der Prozess wie oben beschrieben zu erkennen, im Wort koét hat sich das a aus ‚kalt‘ zuerst zu einem o gewandelt und darauf folgte die L-Vokalisierung. Diese unterschiedliche Entwicklung der beiden Wörter kann auf unterschiedliche Tonakzente zurückgeführt werden. Im Gegensatz zum Standardniederländischen kann die L-Vokalisierung in den Dialekten des Aachener Raums allerdings auch vor anderen Lauten als t und d eintreten, z.B. in den verschiedenen Formen des Verbs ‚haben‘: hau ‚hast‘, haut ‚habt‘ und haun ‚haben‘. Beim Wort ‚Salz‘ unterscheiden sich der Aachener und Herzogenrather Dialekt: Während man in Herzogenrath Soéz sagt, heißt es in Aachen Salz wie im Hochdeutschen. Dies ist einem hochdeutschen Einfluss auf die Aachener Mundart geschuldet.

Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Dialekte ist die Vielzahl an Diphthongen oder Zwielauten. Im Herzogenrather Wenkerbogen finden sie sich z.B. in häé ‚er‘, Broer ‚Bruder‘, höér ‚ihr‘, Duésch ‚Durst‘, häutst ‚hättest‘ und dreäsche ‚dreschen‘. Zu den Vokalen und Diphthongen im Aachener Dialekt können Sie hier mehr lesen.

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Figur eines sogenannten ‚Bockrijjers‘ auf dem Bockreiterbrunnen in Herzogenrath | © Birgit Haan
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Figur eines sogenannten ‚Bockrijjers‘ auf dem Bockreiterbrunnen in Herzogenrath | © Birgit Haan

Es gibt bzw. gab allerdings auch Unterschiede zwischen Aachener und Herzogenrather Platt. Einer davon ist die sogenannte Epenthese. Hierbei wird zur Ausspracherleichterung ein unbetonter Vokal (meist ein /e/-Schwa [ə]), Spross- oder Svarabhaktivokal genannt, zwischen zwei Konsonanten eingefügt. Vergleicht man die Wenkerbögen der beiden Städte findet man einige Beispiele, in denen in Herzogenrath Sprossvokale eingefügt wurden und in Aachen nicht:

Hochdeutsch Herzogenrath Aachen
Luft                  Luhet               Luh
wird                 wehet               wäd
gleich              gelich               gliech
selbst              selevs              selfst
Nacht              Nahet               Naht
recht                rehet                räht

Inwiefern dieser Unterschied in den heute gesprochenen Mundarten noch besteht ist unklar. In einer Untersuchung zum Aachener Dialekt aus dem Jahr 1938 beschreibt der Autor, dass durch den Einfluss zentralripuarischer Mundarten wie dem Kölschen zunehmend auch in Aachen Svarabhaktivokale zu hören sind (Welter 1938, S. 28—31). Des Weiteren gibt es Unterschiede im Wortschatz der beiden Dialekte. Beispielsweise heißt ‚wieder‘ in Aachen wier, während man in Herzogenrath wörm sagt, was sich von ‚wiederum‘ ableitet.