Lemken

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Familiennamen sind Zeugnis längst vergangener Zeiten – sie existieren bereits seit mehreren Jahrhunderten in Vorstufen und werden etwa zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert erblich. Damit spiegeln sie sprachgeschichtliche und (sozial)historische Zusammenhänge wider und erlauben uns Aufschlüsse über unsere Vorfahren, die Gesellschaft vergangener Zeit und ihrer sozialen Struktur; sie bieten damit quasi einen Blick in die Vergangenheit, der uns sonst oft verwehrt bleibt. Zugleich wird dieses historische Erbe der Familiennamen aber zu einer Schwierigkeit, denn ihr Verständnis, die Erklärung ihrer Bedeutung und Herkunft wird durch die jahrhundertelange Geschichte erschwert. Und häufig helfen nur die frühesten Belege eines Familiennamens, um seine Bedeutung zu klären, denn nicht alle Namen sind eindeutig zu erklären.

Beim Familiennamen Lemken, deren Träger:innen hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen und dort zumeist im Kreis Wesel sowie im Kreis Kleve (siehe geogen) leben, können etwa mehrere Interpretationen des Namens zugrunde liegen. Gliedert man den Namen hinsichtlich Wortbildung und Grammatik auf, erhält man Lem- + -ken. Zum einen kann es sich bei dem Grundwort Lem- um eine Benennung nach einem Rufnamen des Vaters handeln. Dieser geht zurück auf Lamm, eine zweistämmige Kurzform von Vollformen, deren Erstglied von althochdeutsch lant sowie altsächsisch land ‚Land‘ stammt und deren zweiter Bestandteil mit einem Labial (mpbf oder w) beginnt (etwa Lambert). Lautlich wurden die beiden Teile des Namens dann einander angeglichen, um sie leichter auszusprechen, wie dies etwa bei Landbert > Lambert der Fall ist. Bei Lamm ist diese lautliche Angleichung noch weiter vorangeschritten (Landbert > Lambert > Lammert). Bei Lem- handelt es sich dann um eine Lautvariante von Lamm, die mit Umlaut gebildet wird; im Rheinland tritt der Umlaut ä häufig als e auf.

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Dieses kleine Schaf könnte als Grundlage des Familiennamens dienen | © Keven Law, CC BY-SA 2.0Keven Law
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Dieses kleine Schaf könnte als Grundlage des Familiennamens dienen | © Keven Law, CC BY-SA 2.0Keven Law

Möglich ist aber auch, dass Lemken nicht auf einen Rufnamen zurückgeht, sondern als indirekter Berufsname für einen Schäfer oder Fleischer dient. Mittelhochdeutsch lamp, lam sowie mittelniederdeutsch lam ‚Lamm‘ bezeichneten früher häufig auch die Menschen, die mit diesen Tieren arbeiteten; ihr Benennung diente dann wohl auch als Grundlage für einen Familiennamen.

Eventuell liegt dem Familienname aber auch ein Übername zugrunde – Menschen, die den Namen Lemken tragen, könnten auch nach dem Tier benannt werden und deren Charakteristika wurden dann auf die Träger:innen übertragen. Lämmer sind zumeist gutmütig, eine Eigenschaft, die auch den Menschen namens Lemken zugesprochen werden könnte.

Und nicht zuletzt könnten Menschen mit dem Namen Lemken auch nach einer Wohnstätte benannt werden. In früherer Zeit, als es noch keine Straßennamen gab, erhielten vielfach die Häuser ihren eigenen Namen. Der Hausname Zum Lamm wurde dann auf die dort lebenden Personen übertragen.

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Lemken könnte auch für einen Schäfer verwendet worden sein | © Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0
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Lemken könnte auch für einen Schäfer verwendet worden sein | © Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0

Allen Ansätzen zur Erklärung des Familiennamens Lemken ist eins gemein – sie bieten jeweils eine Erläuterung für das Grundwort Lem-. Der zweite Bestandteil des Namens lässt sich hingegen relativ eindeutig erklären. Es handelt sich um eine Verkleinerungsform, die entweder die Unterscheidung von Vater und Sohn darstellt (Schmidtken ‚Sohn des Schmidt‘) oder auf eine Koseform zurückgeht (Peterle zu Peter, Hänsel zu Hans). Grundlage dieser Form ist das Suffix (= Endung) -kīn, das zu -ken abgeschwächt wurde.