Genusvarianz zwischen Dialekt und Standard

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Eine der größten Schwierigkeiten, auf die Deutschlernende stoßen, ist die Zuweisung des richtigen Artikels bei Substantiven: Heißt es der oder das Bus? Denn anders als beispielsweise im Italienischen, lässt sich dies nicht einfach an einer Endung ablesen. Im Italienischen enden die meisten Substantive auf -a oder -o und enthalten dementsprechend entweder den weiblichen Artikel la oder den männlichen Artikel il. Das Deutsche hat dagegen keine solchen Endungen (mehr); welcher Artikel und damit welches grammatische Geschlecht einem Wort zugeordnet wird, erscheint zufällig.

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Welches Genus Auto, Brille, Speck und Pastorat haben, hängt ganz davon ab, wo man herkommt | © Mike Bird, Lisa Fotios, Anna Guerrero, Bence Lengyel, Pexels-Lizenz
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Welches Genus Auto, Brille, Speck und Pastorat haben, hängt ganz davon ab, wo man herkommt | © Mike Bird, Lisa Fotios, Anna Guerrero, Bence Lengyel, Pexels-Lizenz

Das grammatische Geschlecht nennt man in der Linguistik auch Genus. Unterschieden werden die Genera Femininum (die Frau, die Sonne, die Blume), Maskulinum (der Mann, der Mond, der Rasen) und Neutrum (das Kind, das Märchen, das Buch). Die meisten Substantive im Deutschen haben ein festes Wortgeschlecht; ein eindeutiges Regelsystem liegt aber nicht zugrunde.

Dennoch gibt es einige Tendenzen bzw. Richtlinien, die sich in semantische und morpho-phonologische Faktoren unterteilen lassen:

Eine semantische Genuszuweisung geht von der Bedeutung eines Wortes aus. Dabei orientiert man sich an einem Leitwort, das als Überbegriff gelten kann: Berge beispielsweise sind üblicherweise maskulin (der Mount Everest, der Kilimandscharo), weil der Berg ein Maskulinum ist, Hotels sind neutral (das Adlon, das Hilton), weil das Hotel ein Neutrum ist.

Als morphophonologische Faktoren bezeichnet man den Einfluss der Wortform auf das Genus. Hat ein Wort eine eindeutig identifizierbare Endung wie -chen, -heit oder -ling, gibt diese das jeweilige Genus vor. Endet ein Wort auf -e, was keine Endung im eigentlichen Sinne ist, ist das Wort mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Femininum (die Schule, die Marke). Wörter, die auf -en enden, sind meist Maskulina (der Laden, der Magen).

Ferner können Wörter, die aus einer Fremdsprache entlehnt wurden, das Genus „mit-entlehnen“: die Torte ist feminin, weil sie das im Französischen auch ist. Selbiges gilt für der Karton, der im Französischen ebenfalls maskulin ist.

Bei so vielen Tendenzen lassen sich Schwankungen im Wortgeschlecht nicht ausschließen. Zusätzlich ergeben sich Unterschiede im Genus zwischen Dialekt und Standard. Beispielsweise hört man in den Dialekten des Rheinlands der Auto und das Speck, in den Dialekten im Südosten der Radio und der Butter – alles Abweichungen vom Standarddeutschen.

Vier Fälle für Genusschwankungen in den rheinischen Dialekten haben wir näher untersucht:
-     Speck
-     Pastorat
-     Auto
-     Brille