Artikel vor Vorname

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Eine Kölnerin würde die Frage sicherlich bejahen – "einfach nur Tim oder Marie, da fehlt doch was!" Ein Sprecher aus Kleve wäre da vielleicht anderer Meinung. Er könnte sich womöglich sogar beleidigt fühlen, wie der User eines Internetforums: "Einen Artikel vor einen Namen zu setzen ist nicht nur nicht nötig, denn ein Name ist bereits ein Artikel, warum also doppelt moppeln, soindern [!] es ist schlicht und einfach unhöflich eine Person mit einem Gegenstand gleichzusetzen. Ich bin nicht der Udo, sondern ich bin Udo. […] Wenn jemand vor meinen Namen einen Artikel setzt, dann weiss ich, er achtet mich nicht."

Mit ihren unterschiedlichen Meinungen stehen die Kölnerin und der Klever nicht alleine dar, vielmehr verläuft diesbezüglich eine Grenze quer durchs Rheinland – und weiter durch das gesamte deutsche Sprachgebiet, etwa auf der Höhe von Kassel, Erfurt und Dresden. Nördlich dieser Linie wird die Verwendung des Artikels vor Vornamen immer seltener. Im Gebiet südlich davon ist der Gebrauch dahingegen sehr verbreitet. Sichtbar wird dieser Unterschied gut auf den Karten des Atlas zur deutschen Alltagssprache. Allerdings scheint sich diese Linie aktuell allmählich weiter nach Norden zu verschieben, so zeigen diese (und andere) Karten, dass am Niederrhein heutzutage sowohl die Variante mit als auch die ohne Artikel üblich ist. Aber insbesondere im ripuarischen Teil des Rheinlandes ist die Verwendung von Artikeln vor Vornamen aus dem regionalen Alltagsdeutsch nicht wegzudenken, hier ist sie auch im Dialekt verankert. Bei Frauenvornamen ist es im Dialekt in diesem Raum zudem üblich, statt des weiblichen Artikels die die sächliche Form das bzw. et zu verwenden, also dat Marie oder et Marie. Näher Informationen dazu gibt es hier.

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Auch das (ehemalige) Bonner Traditionsunternehmen Knauber gab es nur mit Artikel | © Charlotte Rein, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
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Auch das (ehemalige) Bonner Traditionsunternehmen Knauber gab es nur mit Artikel | © Charlotte Rein, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte

Bei der Verwendung von Artikeln vor Namen handelt es sich somit um ein dialektales Merkmal, das sich über seine ursprünglichen Grenzen hinaus im regionalen Alltagsdeutsch weiter ausbreitet – das bezeugt inzwischen sogar der Duden: "In der gesprochenen Sprache ist zunehmend die Verwendung von Eigennamen zusammen mit einem Artikelwort zu beobachten" (Duden 2005, S. 1226). Auch bei Namen von Geschäften ist es im südlichen Rheinland üblich, einen Artikel voranzustellen, hier geht man also zum Aldi, in den DM und zum REWE (mehr zu Präpositionen).

Das Phänomen ist erneut ein Beispiel dafür, dass ein dialektales Merkmal, das großräumig bekannt ist, bessere Chancen hat, auch in die regionale Alltagssprache junger Sprecher:innen übernommen zu werden, als eine Variante, die lokal begrenzter ist.