Krefeld

Text

Krefeld ist eine Großstadt am Niederrhein, bekannt durch die Seidenstoffproduktion des 18. und 19. Jahrhunderts. Der Dialekt (ein Beispiel können Sie hier hören), der in dieser Stadt gesprochen wurde und wird, ist dem südniederfränkischen Sprachgebiet zuzuordnen - einem Areal, das im Norden durch die Uerdinger Line, im Süden durch die Benrather Linie begrenzt ist und von Uerdingen bis Neuss sowie von der niederländischen Staatsgrenze bis nach Remscheid im Osten reicht. Die Menschen in Krefeld selbst bezeichnen ihren Dialekt als Krieewelsch. Mit Blick auf den Wenkerbogen der Stadt zeigt sich etwa, dass die Zweite Lautverschiebung hier nicht durchgeführt wurde – die Laute p, t und k wurden nicht zu pf/f, ts/s und ch „verschoben“, sondern sind erhalten geblieben. Dass die Zweite Lautverschiebung nicht durchgeführt wurde, ist ein typisches Merkmal des Kleverländischen. Deutlich wird dies in Satz 4 des Wenkerbogens:

Dä goue alde Mann eß möt dat Päed dour et Ihs gebroke on en dat kalde Water gefalle.
‚Der gute alte Mann ist mit dem Pferd durch das Eis gebrochen und in das kalte Wasser gefallen.‘

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Wappen der Stadt Krefeld | © gemeinfrei
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Wappen der Stadt Krefeld | © gemeinfrei

Zudem gibt es auf diesem Fragebogen von Krefeld noch weitere Beispiele, an denen deutlich wird, dass die Zweite Lautverschiebung nicht durchgeführt wurde: So zum Beispiel für p im An- und Inlaut bei Päper ‚Pfeffer‘, Äppelkes ‚Äpfelchen‘ oder Pongk ‚Pfund‘ oder für t im In- und Auslaut bei bäter ‚besser‘, schwart ‚schwarz‘, ett ‚ißt‘ sowie geschmolte ‚geschmolzen‘. Auch k wird im Inlaut des Krefelder Dialekts verschoben, Beispiele aus dem Wenkerbogen von 1884/85 für die Stadt sind neben gebroke ‚gebrochen‘ auch Melk ‚Milch‘, koken ‚kochen‘, Kookläpel ‚Kochlöffel‘ auch schpräke ‚sprechen‘. Auch weitere lautliche Merkmale werden auf dem Wenkerbogen der Stadt deutlich. Zum einen den Ausfall der Verschlusslaute d und t zwischen zwei Vokalen wie beispielsweise bei weer ‚wieder‘, goue ‚gute‘, Kleier ‚Kleider‘, Brouer ‚Bruder‘ wie auch Lüi ‚Leute‘. Auch die Tilgung des n in einsilbigen Wörtern wie Jahs ‚Gänse‘ oder ‚uns‘ ist ein typisches lautliches Charakteristikum des Dialektes der niederrheinischen Stadt Krefeld. Interessant ist außerdem die Verdichtung der Lautgruppe Vokal + ch(t), die in der Mundart Krefelds regelmäßig zu finden ist, etwa in den folgenden Wörtern auf dem Wenkerbogen der Stadt von 1884/85: Näit ‚Nacht‘, gebreit ‚gebracht‘, schleite ‚schlechte‘, reit ‚recht‘ oder neät ‚nicht‘ sind nur einige Beispiele dieser lautlichen Realisierung. Vereinzelt zeigt sich in Krefeld zudem eine typische Eigenheit des Zentralripuarischen: die rheinische Velarisierung. So bezeichnet man die Aussprache der Konsonanten d, n, nd, nt am Wortende als g, k, ng, nk: Enk ‚Ende, Weng ‚Wein, Zik ‚Zeit‘. In Krefeld tritt dieses Phänomen auf dem Wenkerbogen von 1884/85 nur bei einigen Wörtern auf, wie etwa bei Eng ‚Ende‘ oder Hongk ‚Hund‘, bei anderen wie Winn ‚Wein‘ oder brune ‚braune‘ hingegen nicht.

Wie in vielen anderen Dialekten des Rheinlandes gibt es auch in der Mundart Krefelds keine Deklination der Substantive, sie weisen in allen Fällen die Nominativendung (Wer-Fall) auf. Einige Beispiele aus dem Wenkerbogen machen dies deutlich:

 Ech ben bei die Frau gewäßt
‚Ich bin bei der Frau gewesen…‘
… on möt die Büerschel rein make…
‚… und mit der Bürste rein zu machen…‘

Bei diesen Belegen aus dem Fragenbogen Wenkers aus Krefeld wird deutlich, dass sowohl die Frau als auch die Büerschel im Nominativ angegeben wurden und nicht wie im Standarddeutschen dekliniert werden. Eine weitere Besonderheit weisen die Artikel im Dialekt Krefelds hinsichtlich der Unterscheidung betont und unbetont auf. Während betonte Artikel (dä, die, dat) verwendet werden, um auf bestimmte Personen, Dinge oder Ereignisse zu reagieren, dienen unbetonte Artikel (de sowohl für männliche, weibliche als auch sächliche Substantive) dazu, Menschen, Sachen und Ereignisse allgemein zu beschreiben. Auch hierfür ein kurzer Blick auf den Wenkerbogen der Stadt von 1884/85:

Dä goue alde Mann
‚Der gute alte Man …‘
… dä brune Hongk…
‚… der braune Hund…‘
De Schnee es des Näit
‚Der Schnee ist diese Nacht…‘

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Im Dialekt Krefelds ist dieses Gewürz als „Päper“ bekannt | © Daria-Yakovleva, Pixabay-Lizenz
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Im Dialekt Krefelds ist dieses Gewürz als „Päper“ bekannt | © Daria-Yakovleva, Pixabay-Lizenz

Während also in den ersten beiden Sätzen Bezug auf eine bestimmte Person und einen bestimmten Hund genommen wird, dient der Artikel im dritten Beispiel dazu, den Schnee im Allgemeinen zu beschreiben. Auffällig ist zudem, dass es im Dialekt Krefelds keine Genitivform (Wessen-Fall) gibt – diese wird entweder durch Voranstellung mit van (die Klompe van dä jooe Keärl) oder durch die Verwendung eines Possessivpronomens (dä Jong sin Klompe). Diese Besonderheit der Substantivbildung gilt für viele weitere Mundarten im Rheinland, ähnlich wie die Nutzung eines Artikels vor Vornamen. So heißt es im Krieewelschen etwa Dä Pitter es krank. ‚Peter ist krank.‘ oder Dat Rad es van dä Jupp. ‚Das Rad ist von Jupp.‘ Nicht zuletzt sind auch die Verkleinerungsformen im Dialekt von Krefeld interessant: Nach Wörtern auf d, t oder n folgt die Verkleinerungssilbe -sche, ansonsten immer -ke, in der Mehrzahl wird jeweils noch ein -s angehängt. Beispiele auf dem Wenkerbogen der niederrheinischen Stadt von 1884/85 sind etwa Äppelbömkes ‚Apfelbäumchen‘, Äppelkes ‚Äpfelchen‘, Vögelkes ‚Vögelchen‘, Schöppkes ‚Schäfchen‘ sowie Schtöckske ‚Stückchen‘ (mit Einschub eines -s- zur besseren Aussprache). 

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Im Krefelder Dialekt nennen sich diese roten Früchte „Äppelkes“ | © pixel2013, Pixabay-Lizenz
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Im Krefelder Dialekt nennen sich diese roten Früchte „Äppelkes“ | © pixel2013, Pixabay-Lizenz