Keyenberg

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Keyenberg liegt in der Erkelenzer Börde. Der LVR hat zu diesem Dorf eine besondere Verbindung, da dessen durch den Braunkohleabbau bedingte Umsiedlung vom Team Alltagskultur begleitet wird. Lesen Sie hier mehr dazu: Braunkohlebedingte Umsiedlung und Protest in Corona-Zeiten. 2022 hat das Sprachteam des LVR eine Umfrage durchgeführt, die den aktuellen Stand des Dialekts festhalten soll. Befragt wurden nicht nur Keyenberger:innen, sondern auch Menschen aus nahegelegenen Dörfern. Eine ausführliche Auswertung der Fragebögen gibt es hier: Ergebnisse der Dialektumfrage.

Keyenberg liegt im südniederfränkischen Dialektgebiet, ebenso wie Mönchengladbach, Düsseldorf und Krefeld sowie Teile der Niederlande. Die Dialekte dieser Region vereinen Merkmale des Kleverländischen und Ripuarischen in sich. Eine der Fragen, die sich das Sprachteam bei der Durchführung der Untersuchung gestellt hat, war, ob und inwiefern sich die Eigenschaften des Dialekts seit den Dialektumfragen von Georg Wenker im 19. Jahrhundert verändert haben. Daher wurden den historischen Wenkerbögen einige Sätze entnommen, die nach 140 Jahren erneut in den Dialekt übertragen werden sollten. Somit befinden wir uns in der glücklichen Lage, einen direkten Vergleich anstellen zu können.

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Wenkersatz 34: "Wir haben es ihm erzählt."
Bildunterschrift
Wenkersatz 34: "Wir haben es ihm erzählt."

Hier ist einer der Sätze, die einander gegenübergestellt werden:

„Hinter unserem Haus stehen drei schöne Apfelbäumchen mit roten Äpfelchen.“
2022: Henger oserem Hus stond dre schönn Appelbömkes met rue Äpelkes.
1876: Henger ossem Huhs stonnt dre-ih schönn Appelbömkes möt rue Äppel.

Wie man sieht, ähneln sich die Angaben von 2022 und 1876 sehr. Dialekte folgen keinen Rechtschreibregeln, daher können Abweichungen in der Schreibung auftreten, selbst wenn es keinen oder kaum Unterschied in der Aussprache von Wörtern gibt. Die Verbform stond könnte für eine Vergangenheitsform wie stand gehalten werden, aber es handelt sich um die dialektale Form von „stehen“. Und obwohl die meisten Gewährspersonen aus dem Jahr 2022 als Diminutiv Appelbömkes gewählt haben, gaben auch einige Appelböm(s)cher an. Die Variante mit k ist nicht-lautverschoben, während die mit (s)ch die Lautverschiebung mitgemacht hat. Solche Vermischungen von verschiedenen Formen sind typisch für das Südniederfränkische. Einige Fragebögen zeigen auch, dass ein und dieselbe Person manchmal die eine, manchmal die andere Form verwendet.

Auch in Bezug auf die Grammatik gibt es im Keyenberger Dialekt einige Zweifelsfälle, die zwischen den Sprecher:innen variieren können. So sollten die Gewährspersonen uns mitteilen, wie sie zu „Hund“ und „Hunde“ sagen. Was im Standarddeutschen eine klare Sache ist, weist in Keyenberg viele Facetten auf. Die Einzahl lautet Honk, Hung oder Hong. Die Mehrzahl hat noch mehr Varianten: Höng, Honge, Honde, Hunge und Hüng. Das erschwert das gegenseitige Verständnis aber nicht.

So einen Formenreichtum sehen wir auch bei den Verben. Der Fragebogen enthält die Frage nach dem Infinitiv machen und der Vergangenheitsform ich machte. Unter den verschiedenen Formen finden sich maake ~ (ich hann) jemäkk, make ~ (ech) meek und donn ~ ich ding. Wie im Standarddeutschen liegen die Bedeutungen von tun und machen so nah beieinander, dass sie in vielen Fällen austauschbar sind. Das zeigt sich auch darin, dass zwei Gewährspersonen eine Kombination aus den Verben genannt haben: donn ~ esch mek und maake ~ ich ding.

Dieser Reichtum an unterschiedlichen Formen erinnert daran, dass Sprache vielfältig und individuell ist. Sicherlich werden unsere Gewährspersonen sich aber in einer Sache einig: Platt kallen? Et kütt mesch von Hätze! 

Der LVR dankt allen Gewährspersonen für ihre Mitarbeit.