Erkelenz

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Erkelenz liegt südwestlich von Mönchengladbach und damit im südniederfränkischen Sprachgebiet, ähnlich wie Kaldenkirchen. Auch der offiziell für den Tagebau Garzweiler freigegebene Ort Keyenberg, dessen Dialekt wir mithilfe eines Fragebogens erfassen, gehört zur Stadt. Der Dialekt wird zwar immer seltener gesprochen , es lassen sich dennoch natürlich einige lautliche und grammatische Eigenschaften bestimmen. So wird etwa anstelle des g im Erkelenzer Dialekt ein j verwendet, sowohl am Anfang des Wortes als auch innerhalb eines Wortes: Jeschichte ‚Geschichte‘, jenösslich ‚genüsslich‘, Jrass ‚Gras‘, enjelane ‚eingeladen‘, üverjlöcklich ‚überglücklich‘ oder Bürjermeester ‚Bürgermeister‘ sind nur einige Beispiele dieser lautlichen Besonderheit im Erkelenzer Dialekt. Historisch interessant ist zudem, dass die Zweite Lautverschiebung nicht durchgeführt ist: Die Laute p, t und k sind erhalten geblieben und nicht zu pf/f, ts/s und ch verschoben worden. Beispielhaft zeigt das Satz 4 aus dem Wenkerbogen, einem Fragebogen, den Georg Wenker 1884/85 an die Lehrerpersonen im Rheinland verschickte, mit der Bitte, diesen in ihrem Ortsdialekt auszufüllen. Für Erkelenz lautete die Antwort des Lehrers folgendermaßen:

De joä alde Mann es met et Päed dur et Is gebroüke on en dat kalt Water gefalle.
‚Der gute alte Mann ist mit dem Pferd durch das Eis gebrochen und in das kalte Wasser gefallen.‘

Auffällig ist an diesem Beispiel, dass in Erkelenz Päed (wie auch Päeper, Appelbömkes, Äppelkes, Ponk) geläufig ist, das p demnach nicht zu pf verschoben wurde. Auch das k in gebroüke (zudem in glick, Melk, Wäeke, Koke) ist erhalten geblieben und nicht wie etwa in Monschau verschoben worden.

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„Herkelens“ um 1560, Karte von J. v. Deventers | © gemeinfrei
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„Herkelens“ um 1560, Karte von J. v. Deventers | © gemeinfrei

Und noch eine weitere lautliche Merkmale des Erkelenzer Dialektes fallen auf. So lassen sich hier Wörter wie op, gelope, och, Ogebleckske sowie Füer, hüt oder wette ‚weiße‘, Seep ‚Seife‘ hören. All diese Beispiele haben eines gemeinsam: In der Standardsprache weisen sie einen Diphthong (Zwielaut) auf, der erst mit der Neuhochdeutschen Diphthongierung entstanden ist, im Dialekt von Erkelenz ist er allerdings noch erhalten. Interessant ist zudem, dass auch der entgegengesetzte Wandel in der Mundart der Stadt aufzufinden ist – in Form der ei-Monophthongierung. Wörter, die im Standarddeutschen den Zwielaut ei aufweisen, zeigen im Dialekt von Erkelenz ein langes e; als Beispiele seien hier kleen ‚klein‘, Been ‚Bein‘, Steen ‚Stein‘,meent ‚meint‘ und weet ‚weiß‘ genannt.
Nicht zuletzt ist auch der u-o-Gegensatz (standardsprachlich bunt – dialektal [bont]) auffällig, der im Rheinischen häufig zu beobachten ist. Das gilt auch für die Mundart von Erkelenz, in der Lautformen wie Boom ‚Baum‘, joot ‚gut‘, Moot ‚Mut‘, bonk ‚bunt‘ und Koh ‚Kuh‘ zu hören sind. Und noch ein weiterer lautlicher Aspekt, der eigentlich ein typisches Merkmal des angrenzenden ripuarischen Sprachraums ist, fällt auf – die sogenannte Rheinische Velarisierung. In der Sprachwissenschaft versteht man hierunter, dass statt eines n, eines t oder eines nt der Laut ng, nk oder k gesprochen wird. Beispielhaft können für dieses Phänomen wieder einige Wörter aus dem Wenkerbogen genannt werden: Sowohl Kengk, als auch Kingereie, Ponk oder Hongk weisen die Rheinische Velarisierung auf, die auch in Sätzen wie Ech jonn no ming Omma, die kann richtich platt, su wie minge Oppa, und dann li’er ech dat. (Liedtext von Theo Schläger) zu finden ist.

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In der Mundart von Erkelenz auch als Seef bekannt – die Seife | © silviarita, Pixabay-Lizenz
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In der Mundart von Erkelenz auch als Seef bekannt – die Seife | © silviarita, Pixabay-Lizenz

Mit ming Omma und minge Oppa kommen wir auch direkt zu einer grammatischen Besonderheit des Erkelenzer Dialektes. Besitzanzeigen werden in der Mundart der Stadt nicht mithilfe des Genitivs (Wessen-Fall) angegeben, sondern durch ein besitzanzeigendes Fürwort, in diesem Fall ming/e ‚mein/e‘. Diese Umschreibung bezeichnet man in der Sprachwissenschaft auch als possessiver Dativ. Nicht zuletzt ist zudem die Bildung der Verkleinerungsform für den Dialekt von Erkelenz charakteristisch. So wird an das Substantiv jeweils -ke in der Einzahl oder -kes in der Mehrzahl angehängt, um Zuneigung und Verniedlichung oder Verkleinerung auszudrücken. Mit Blick auf den Wenkerbogen können hier folgende Beispiele genannt werden: Appelbömkes, Äppelkes, Vügelkes, Schöpkes, Ogebleckske, Stöckske. Theo Schläger nutzt in seinem Liederheft für Kinder noch weitere solcher Verkleinerungsformen, die nach dem gleichen Muster gebildet werden: So sind hier Ääpke, Treppke, Jäckske zu finden.