Triangel

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In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der zwei deutsche Staaten nebeneinander existierten, gab es auch den „Duden“ doppelt. Der westliche wurde in Mannheim herausgegeben, der östliche in Leipzig. Im Jahr 1990, im Jahr der Wiedervereinigung also, erschien in Leipzig noch einmal ein Rechtschreib-Duden, es war nach der dortigen Zählung ein Nachdruck der 5. Auflage der 18. Neubearbeitung (in anderer Zählung: die 6. Auflage).

Die Triangel wurde auf Seite 484 aufgeführt, wobei im Wortartikel zu erfahren war, dass das Wort in Österreich erstens anders betont werde (nämlich auf der zweiten Silbe) und dort zweitens ein anderes Geschlecht habe: das Triangel. Als sonst übliches Wortgeschlecht wird männlich genannt: der Triangel. Nun werden nicht viele Menschen im Rheinland damals etwas im Ost-Duden nachgeschlagen haben; wer das Buch aber doch in die Hand bekommen haben sollte, wird bei den Angaben zur Triangel nicht schlecht gestaunt haben: Denn allgemein üblich war damals wie heute im Rheinland: die Triangel.

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der/die/dat Triangel | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
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der/die/dat Triangel | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Der West-Duden gab dieselbe Auskunft wie sein Pendant aus Leipzig: Hier mögen als Belege der Rechtschreib-Duden von 1996 (S. 751) und der Fremdwörter-Duden von 2001 (S. 1009) genügen: der Triangel mit dem österreichischen das Triangel; es fehlte: die Triangel. Das nahm die ILR-Sprachabteilung zum Anlass, die Triangel in ihren umgangssprachlichen Fragebogen des Jahres 2005 einzubeziehen. Der Bogen enthielt insgesamt fünf Fragen zum Wortgeschlecht, nämlich für Auto, Dialekt, Gummi (= Gummiring), Sellerie und schließlich Triangel.

Wie die jungen Leute im Alter von 16 bis 24 Jahren geantwortet haben, zeigt die Karte: Blau (die Triangel) herrscht in allen Regionen des Rheinlands vor. Die beiden anderen Farben – gelb: der Triangel, rot: dat Triangel – tauchen verstreut und nur sehr selten auf.

Auf dem Fragebogen drehte sich alles um die regionale Umgangssprache: um den Regiolekt. Nun ist aber nicht anzunehmen, dass sich in diesem Fall Umgangssprache und Standardsprache hinsichtlich des Wortgeschlechts voneinander unterscheiden, was auch eine kleine Anekdote aus jener Zeit unterstreicht. In deren Mittelpunkt steht eine rheinländische Schulamtsdirektorin (früher sagte man: Schulrätin), die an einer Tagung der ILR-Sprachabteilung teilnahm. Sie wurde gefragt, was sie denn machen würde, wenn ein Schüler oder eine Schülerin in einer schriftlichen Arbeit Triangel mit männlichem Wortgeschlecht benutzte. Sie erklärte, dass sie, pädagogisch vorsichtig vorgehend, dem Schulkind erläutern würde, das ein anderes Wortgeschlecht richtig sei: die Triangel.. Als sie dann zu hören bekam, dass es laut Duden der Triangel heiße (außer in Österreich), dachte sie zunächst, sie werde auf den Arm genommen. Ähnlich felsenfest würden wohl die meisten Menschen im Rheinland in dieser Situation reagieren.

Das Deutsche ist eine „plurizentrische“ Sprache, die auch in ihrer schriftsprachlichen Existenzform mit regionalen und nationalen Unterschieden aufwartet. Für die Menschen im Rheinland sind Wörter wie Semmel oder Sonnabend sprechende Beispiele: So sagt und schreibt man anderswo in Deutschland. Hiesig sind Brötchen und Samstag.

Die standardsprachliche Variation ist das Thema des „Variantenwörterbuchs des Deutschen“, dessen erste Auflage 2004 erschien. Hinsichtlich des Wortgeschlechts der Triangel war das Variantenwörterbuch noch auf dem alten Stand: das Triangel in Österreich, in der Schweiz und in Deutschland: der Triangel (S. LXXI). Als 2016 eine zweite, „völlig neu bearbeitete“ Auflage dieses Wörterbuchs herausgebracht wurde, waren auch die Angaben zur Triangel stark überarbeitet worden: „ist in A Neutrum oder Femininum, in CH Maskulinum und in D Femininum“ (S. 753; A: Österreich; CH: Schweiz; D: Deutschland).

Verschiedene Karten zum Wortgeschlecht von Auto sind in Cornelissen 2014 (S. 92) und in Cornelissen 2008 (S. 63 und 250) zu finden; sie basieren auf dem Fragebogen von 2005. Der Atlas „dat & wat“ enthält, ebenfalls auf der genannten Erhebung basierend, eine Karte zum Wortgeschlecht von Sellerie in der Umgangssprache des Rheinlands (Cornelissen 2021, Karte 45); sie wird mit der Karte für den Dialekt kontrastiert (Karte 44). Die umgangssprachlichen (regiolektalen) Kartenbilder für Triangel, Auto und Sellerie unterscheiden sich übrigens stark. Auf der Triangel-Karte werden die Erhebungsergebnisse für die Altersgruppe 16 – 24 Jahre (bezogen auf das Jahr 2005) dargestellt. Für Kommunen mit mehr als zehn Fragebögen in dieser Altersgruppe wurden nur zehn für die Karte berücksichtigt (die Bögen der vom Alter her in der Mitte liegenden Personen). War für eine Kommune nur eine einzige Variante zu verzeichnen, ist das Kreissymbol einfarbig gefüllt. Wenn eine Variante häufiger als eine andere vorkam, wurde das Dreiviertelsymbol gewählt.