Brot

Text

"…unser täglich Brot …"

Wie kaum anders zu erwarten war, wurde bei der Beantwortung der Frage "Wie nennen Sie 'Brot' im Dialekt" im gesamten Untersuchungsgebiet Brot, brood bzw. in den Teilen des Westmünsterlandes, die das lange o in Wörtern wie "rot", "groß" und natürlich auch "Brot" diphthongieren, "Braut" (Legden, Nienborg, Schöppingen) gemeldet. Nun ist Brot nicht gleich Brot. Viele Gewährspersonen nannten neben der Gattungsbezeichnung Brot auch die Bezeichnung für diejenige Brotsorte, die in ihrem jeweiligen Ort heute gewissermaßen als "Standardbrot" zu gelten hat: Wegge (Geldern, Groesbeek, Werth, Silvolde, Bronkhorst), Mick (Leuth) und Stute(n) (Nordostachterhoek, Westmünsterland).

Das Wort Brot selbst, das in allen germanischen Sprachen vorhanden ist (englisch bread, isländisch brauð, schwedisch bröd, dänisch, norwegisch brød), gilt noch heute als unsicherer Herkunft. Versuche, es mit brauenbrechen oder brauchen in Verbindung zu bringen, sind allesamt problematisch (Kluge/Seebold 1989, S. 107f.; de Vries 1971, S. 90).

Wegge in der Bedeutung, 'Weißbrot', das zunächst ein keilförmiges Gebäck bezeichnete (Deutsches Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 2788-2793; Foerste 1937, S. 5), ist in den ostniederländischen Mundarten entlang der Staatsgrenze von Belgien bis Achterhoek belegt (Roukens 1937, Karte 57; Jobse-van Putten 1980, S. 55 und Karte 1). Im Rheinland ist es weit verbreitet, im Arbeitsgebiet des Westfälischen Wörterbuchs jedoch nur wenig überliefert (RhWb, Bd. 9, Sp. 327-334).

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Brot | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
Bildunterschrift
Brot | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Mick, hier und auf der folgenden Karte nur angegeben für Leuth bzw. Leuth und Groesbeek, ist wahrscheinlich verwandt mit spätlateinisch mica 'Krümel', französisch miche 'Brot' (Woordenboek der Nederlandsche taal, Bd. 9, Sp. 727; RhWb, Bd. 5, Sp. 1121f.; Jobse-van Putten 1980, S. 59-61). Schon im Mittelalter überliefert ("micke is monnicke brot") (Rathert 1916, S. 29) ist Mick belegt in den niederländischen Mundarten der Provinzen Noord-Brabant und Limburg, sporadisch auch im Gebiet zwischen Maas und Waal, wobei die Waal die Nordgrenze des Mick-Gebiets bildet (Jobse-van Putten 1980, S. 54 und Karte 1). Am deutschen Niederrhein ist es weit verbreitet in der Bedeutung 'graues Weißbrot aus gebeuteltem Roggen- oder Weizenmehl', weiter südlich (Kölner Raum) als Bezeichnung für ein 'mürbes Korinthenbrötchen' (RhWb, Bd. 5, Sp. 1121f.). Für Westfalen liegen Belege in den Bedeutungen 'Brötchen', 'Brotscheibe' und 'Endstück eines Brotes' vor (Piirainen/Elling 1992, S. 591). Aus Oud-Zevenaar wurde im Rahmen dieser Untersuchung auch die Bedeutung 'erstes geschnittenes Stück des Brotes' gemeldet.

Die Etymologie von Stute(n) '(feines) Weißbrot' ist wie die des Wortes Brot bis heute nicht eindeutig geklärt. Während die deutschen Wörterbücher dazu neigen, das Wort mit Steiß in Verbindung zu bringen und als ursprüngliche Bedeutung 'Brot in Form eines Oberschenkels' ansetzen (Deutsches Wörterbuch, Bd. 20, Sp. 730f.; Kluge/Seebold 1989, S. 712), hält die niederländische Literatur eine weitere Erklärung bereit, die eine direkte Herkunft von stoßen vorsieht (Jobse-van Putten 1980, S. 61ff.). Stute(n) gehört zu den verbreitetsten Dialektbezeichnungen für 'Weißbrot'. In den Niederlanden kommt es in allen nordöstlichen Provinzen vor (Groningen, Drente, Overijssel und Gelderland); in Deutschland ist es in Ostfriesland sowie im Emsland und in Westfalen das übliche Dialektwort für 'Weißbrot' (Jobse-van Putten 1980, S. 54f. sowie die Karten 1 und 6; Foerste 1937, S. 5), im Rheinischen jedoch nur in der Bedeutung 'besonders feines Weißbrot' (RhWb, Bd. 8, Sp. 960). Vor allem für die Charakterisierung Westfalens war die Bezeichnung Stute(n) wohl etwas Typisches in den frühen Jahrhunderten. Bekannt ist vor allem aus der Täuferbewegung der Spitzname des münsterischen Hofpredigers, des aus der Nähe von Stadtlohn stammenden Bernhard Rottmann, "Stutenbernd", weil er sich bei der Austeilung des Abendmahls der Stuten statt der Hostien bediente: "Davon ist er Stuten Bernhart genennet worden, denn semmel heißt auf ire sprach stuten" (Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bd. 4, S. 455).