Hendricks

Text

Im Januar 1900, mit der Einführung der Standesämter, wurden Familiennamen zum ersten Mal schriftlich festgehalten. Da zu dieser Zeit in Deutschland noch keine sprachliche Standardisierung vorlag, sind zumeist die mundartlichen Formen der Familiennamen fixiert worden – und diese unterscheiden sich häufig je nach (Wohn-)Ort voneinander (siehe etwa auch Faßbender); auch die Dialekte innerhalb Deutschlands sind ja nicht identisch, sondern weisen sprachliche Eigenheiten auf.

Diese Varianz zeigt sich auch auf der abgebildeten Sprachkarte: Am Niederrhein auf deutscher Seite überwiegt von Emmerich über Xanten und Moers bis nach Schwalmtal und Neuss die Variante Hendricks. Eine Ausnahme bilden die Belege bei Kevelaer und Geldern; hier dominiert der Familiennamen in der Schreibvariante Hendrix. Auf niederländischer Seite, sowohl in Arnheim und Doetinchem als auch in Venray oder Roermond, ist dann Hendriks am häufigsten belegt, ähnlich wie in Ratingen. Die Variante Hendri(c)kx ist hingegen nur in Venlo zu finden.

Ursprung dieses vor allem am Niederrhein in den Kreisen Kleve, Wesel und Viersen geläufigen Familiennamens Hendricks (in seinen Laut- und Schreibvarianten) ist der Rufname Heinrich. Dieser wurde besonders im Mittelalter häufig vergeben und setzt sich aus althochdeutsch heima, altsächsisch hēm 'Heim, Haus' und althochdeutsch rihhi, altsächsisch rīki 'Herrschaft; mächtig' zusammen. Ab etwa dem 8. Jahrhundert taucht der erste Bestandteil des Namens Heim- vermehrt als Hein- auf.

Bild
Hendricks - Familienname | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
Bildunterschrift
Hendricks - Familienname | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Stellt man Hendricks und Heinrich gegenüber, fallen zudem weitere Unterschiede auf. Die erste Silbe weist beispielsweise anstelle des ei ein e auf. Diese Vokalvarianz erklärt sich durch unterschiedliche althochdeutsche (älteste schriftlich überlieferte Sprachform des Deutschen; ca. 750 bis 1050 n. Chr.) und altsächsische (älteste Sprachstufe des Niederdeutschen) Ausgangsformen. Zudem bleibt das -ch von Heinrich beim Familiennamen Hendricks (in allen Laut- und Schreibvarianten) unverschoben. Auch der zwischen den beiden Silben eingeschobene Gleitlaut d (epenthetischer Vokal) unterscheidet die beiden Formen Heinrich und Hendricks deutlich voneinander. Dieses d ist wohl erst im 16. Jahrhundert eingefügt worden; in älteren Dokumenten fehlt es noch: henrick de muller. Ähnlich wie bei anderen dialektalen Wörtern tritt das d hier aber bald nach n (teilweise auch nach l) und vor folgendem r auf: Henrick > Hendrick (so etwa auch bei hoenre > Hunder ‚Hühner, donre > Dondre ‚Donner‘ oder kelre > Kelder ‚Keller‘). Diese eingeschobenen Laute sollen die Aussprache eines Wortes erleichtern (vgl. auch mittelhochdeutsch eigenlīch > neuhochdeutsch eigentlich, mittelhochdeutsch namenlīch > neuhochdeutsch  namentlich). Das -s am Ende zeigt, ähnlich wie bei Schmitz oder Kösters, einen starken Genitiv an.

Der Familienname lässt sich auch anhand seiner Schreibweise regional verorten: Die am Niederrhein auftretende Form Hendricks wie auch Hendrix entsprechen der deutschen Orthografie. In den Niederlanden ist hingegen vor allem die Schreibweise Hendriks belegt; sie entspricht der im Nachbarland verwendeten Schriftsprache. Deutlich ältere Varianten des Familiennamens sind Hendrikx oder Hendrickx. Zwar halten sich diese alten Schreibmuster häufig (wie auch etwa Daemen oder Maessen), aber zugleich wird deutlich, wie stark der Einfluss der heutigen Schriftsprachen ist. Schreibweisen, auch von Familiennamen, passen sich mehr und mehr den Standardsprachen des jeweiligen Landes oder der Region an und verlieren dabei teilweise ihre eigentliche, dialektale Markierung.