Bell (Kreis Mayen-Koblenz)
Lepper Talp
So nennen die Backofenbauer:innen aus Bell bei Mayen in der Osteifel ihre Geheimsprache, die kein Rotwelschdialekt ist, sondern zum Typus der konstruierten oder "künstlichen" Sondersprachen gehört. Das Bildungsprinzip lässt sich schon im Namen erkennen (eigentlich Beller Platt): Substantive und Verben aus der Beller Mundart werden einfach umgedreht und gleichsam "von hinten" gesprochen. Diese Transformation erfasst etwa vierhundert Dialektwörter, die keineswegs beliebig sind, sondern einen festen Kanon bilden, der von den Sprecher:innen gelernt werden muss. Spontane "Drehungen" kommen nicht vor. Der geheimsprachliche Wortschatz spiegelt in etwa die Lebensbereiche der Backofenbauer:innen, in denen sie die Sondersprache nutzten: "Draußen war es wichtig, Geheimsprache immer dann zu sprechen, wenn es um Arbeit, Material, Essen, Schlafen und Bezahlen ging", fasst ein ehemaliger Backofenbauer seine Erfahrungen zusammen. Besonders der Bereich "Ernährung" ist auffällig: Jesööms - Jemöös 'Gemüse', Seback 'Kappes', Ruaseseback - Suure Kappes 'Sauerkraut', Nuppe - Bunne 'Bohnen', Talas 'Salat', Moorgreppe - Grompere 'Kartoffeln', Käpsch 'Speck', Neekenisch 'Schinken', Schöllef - Flöösch 'Fleisch', Schöllefschtruff 'Fleischwurst', Useschup - Saubuch 'Schweinebauch', Boss - Sopp 'Suppe', Ürfkütsch 'Frühstück', Schatimsierfe 'Mittagessen' (eigentlich 'Fressen'), Neschok 'Kuchen', Rekutsnätsch - Zuckerschtään 'Bonbon', Truff 'Wirt', Schallef Ripp 'Flasche Bier', Ragizätt 'Zigarette'. Die Bedeutung dieses Wortfelds erklärt sich aus der Lebensweise der Backofenbauer:innen. Im Winter wurden in den heimatlichen Steinbrüchen die Tuffsteine abgebaut und bearbeitet, die in den wärmeren Jahreszeiten überall im Rheinland, vorrangig in Bäckereien, aber auch in Dorfbackhäusern, zu Steinöfen zusammengesetzt wurden. Auf ihren oft wochenlangen Montagereisen wohnten sie meist in Privatquartieren der Auftraggeber:innen, über deren – schlechte – Verpflegung sie so ungestört ablästern konnten.