Nießen
Hinter manchen Familiennamen verbergen sich Geschichten und Erklärungen, die auf den ersten Blick nicht ohne historisches und regionalspezifisches Wissen zu erkennen sind. So ein Familienname ist etwa Nießen. Sein größtes Verbreitungsgebiet findet der Name im Südwesten des Rheinlandes im Kreis Heinsberg, der Städteregion Aachen, dem Kreis Düren, dem Rhein-Erft Kreis, in Köln sowie im Kreis Euskirchen, aber auch im Rest des Rheinlandes und in Deutschland allgemein ist er häufig zu finden (siehe geogen). Er geht zurück auf den sehr alten Rufnamen Dionysius, der griechischen Ursprung ist und so viel wie ‚der dem Gott Dionysos Geweihte‘ bedeutet. Vor allem im Mittelalter war der Rufname geläufig, heutzutage hört man ihn hingegen kaum noch. Der Name wurde durch Dionysius Areopagita auch in der christlichen Welt bekannt und verbreitete sich dann schnell. Bekannt ist er wohl auch als Name des griechischen Weingottes (siehe auch Wörterbuch der deutschen Winzersprache), einer Entsprechung zum lateinischen Gott des Weines Bacchus. Zudem ist Dionysius als einer der 14 Nothelfer bekannt, er soll Linderung bei Kopfschmerzen, Tollwut, Gewissensnöten und Seelenleiden bringen. Besonders von den fränkischen Königen wurde er verehrt.
Verkürzt erscheint Dionysius in der Form Nies; diese Form ist auch heute noch in den rheinischen Dialekten im ripuarischen wie im südniederfränkischen Sprachraum zu finden (RhWB, Band 1, Sp. 1369) und Grundlage des Familiennamens Nießen. Die Endung -en, die auch bei vielen anderen Familiennamen im Rheinland zu finden ist, zeigt bei diesen Abstammung an. Sie stammt von Konstruktionen wie Jan Nießen Sohn oder Anna Nießen Tochter, Jan und Anna waren also Nachfahren eines Mannes mit den Ruf- oder Kosenamen Nieß.
Möglich ist aber auch, dass nicht nur -en, sondern -sen angehängt wurde. Diese Endung geht auf ein ursprünglich dem Namen des Vaters nachgestelltes ‚Sohn‘ zurück (wir kennen diese Endung vor allem von skandinavischen Familiennamen, die auf -son enden). Auch mit -sen wird Abstammung angezeigt. Welche Endung jeweils vorliegt, kann wohl nur mit Blick in die eigene Familiennamengeschichte sowie durch Archivrecherchen geklärt werden.
