„Dat Portal“ op Jück: Das Kleverländische in Gelderland
Am 1. März 1998 ist die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen in Kraft getreten. Sie soll die sprachliche Vielfalt in Europa erhalten und fördern, indem die Regional- und Minderheitensprachen als solche anerkannt werden, einen besonderen Schutz erfahren und in einigen Fällen auch vermehrt im Rechts- und Bildungswesen sowie den Medien Verwendung finden. Diese Bestrebungen sind grenzübergreifend und sollen den Zusammenhalt von Sprecher:innen-Gemeinschaften stärken, ohne sie von anderen abzugrenzen.
In Deutschland gibt es mehrere Regional- und Minderheitensprachen, die den Schutz durch die Charta genießen, darunter Dänisch, Sorbisch, Romani, Niederdeutsch und Niederfränkisch. Zum Niederfränkischen gehören die kleverländischen und südniederfränkischen Dialekte. Das niederfränkische Dialektgebiet ist nicht auf Deutschland beschränkt, sondern befindet sich teilweise auch in den Niederlanden. Einige niederländische Dialektgebiete werden im Sinne der Charta anerkannt – Limburgs (Südniederfränkisch) und Nedersaksisch (Niederdeutsch) – jedoch nicht das Kleverlands (Kleverländisch). Die Arbeitsgruppe „Plan Erkenning Gelders Kleverlands“ möchte dies ändern und tagte daher am 24.3.2023. Zu diesem Symposium unter dem Titel „Das Kleverländische in Gelderland. Ein Dialekt zwischen den Stühlen“ war auch eine Vertreterin des LVR eingeladen.
Vergleicht man die kleverländischen Dialekte auf beiden Seiten der Staatsgrenze, stellt man fest, dass sie viele Gemeinsamkeiten aufweisen, sich aber auch immer stärker ihrer jeweiligen standardisierten Dachsprache annähern. Einen solchen Vergleich hat Charlotte Giesbers in ihrer Dissertation angestellt.
Aus der engen Verwandtschaft des Deutschen und des Niederländischen ergibt sich, dass sich eine große Anzahl an Wörtern, nämlich 40 von 100 untersuchten, in den beiden Standardsprachen und dem Kleverländischen entsprechen. Dazu gehören ba:nk (‚Bank‘, nl. bank mit kurzem a), raegen (‚Regen‘, nl. regen) und a:rm (‚Arm‘, nl. arm mit kurzem a).
Die zweitgrößte Gruppe von Wörtern ist die, bei der sich Standardniederländisch und Kleverländisch mehr ähnelt als das Standarddeutsche. pan (‚Pfanne‘, nl. pan), keuk (‚Küche‘, nl. keuken) und mel (‚Amsel‘, nl. merel) sind Beispiele hierfür.
Außerdem gibt es einige kleverländische Ausdrücke, die weder mit dem Standarddeutschen, noch mit dem Standardniederländischen große Gemeinsamkeiten aufweisen. Unter anderem sind dies room (‚Milch‘, nl. melk), zeikli:mp (‚Ameise‘, nl. mier) und mus (‚Vogel‘, nl. vogel).
Unterschiedliche Wege schlagen die Dialekte in ihrer Aussprache ein. Die Buchstabenfolge sch wird im Standarddeutschen bekanntlich als ein Laut gesprochen, das ist im Niederländischen jedoch anders. Dort klingt das ch wie in ach und das s wird immer einzeln artikuliert. Ähnlich verhält es sich mit st und sp, die im Deutschen (meistens) einen Laut ergeben, im Niederländischen aber zwei einzelne. Das überträgt sich auch auf die kleverländischen Dialekte. Im deutschen Teil des Dialektgebiets klingt das Wort für ‚Stuhl‘ wie im Standarddeutschen (schtuhl, wenn man so will), im niederländischen wie s-tul. ‚Schaf‘ heißt im Kleverländischen schoop (nl. schaap) und wird auf niederländischer Seite s-choop gesprochen, auf deutscher schoop. Die Staatsgrenze bildet somit einen Bruch im Kleverländischen.
Eine weitere Abweichung zwischen dem niederländischen und dem deutschen Kleverländisch ist, wie häufig Menschen Dialekt sprechen und wie ihre Einstellung zum Dialekt ist. Beiden Regionen ist gemein, dass der Dialektgebrauch schwindet und dass die Standardsprache ein höheres Prestige betrifft. Bei näherer Betrachtung jedoch ergibt sich, dass die Sprecher:innen des niederländischen Kleverlandes ihren Dialekt in mehr Situationen verwenden als ihre deutschen Nachbar:innen und den Dialekt insgesamt als positiver wahrnehmen.