„D’r Zoch kütt“ – Rheinische Karnevalsmottos 2024 im Vergleich

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„Wat e Theater – wat e Jeckespill“ – so lautet das diesjährige Sessionsmotto im Kölner Karneval. Doch nicht nur in Köln, auch in vielen anderen Städten, Stadtteilen und Dörfern des Rheinlandes wird die fünfte Jahreszeit in jedem Jahr unter ein besonderes Thema gestellt. Dieses wird in den verschiedenen karnevalistischen Aktivitäten in den Fokus gerückt, sei es beim Karnevalszug, bei Sitzungen, in Büttenreden oder Liedtexten. Wir haben über 70 Karnevalsmottos aus dem Jahr 2024 aus verschiedenen Regionen des Rheinlands gesammelt und sie im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht.

Inhaltlich decken die Mottos ein sehr weites Spektrum ab. Die meisten Mottos stellen den Karneval selbst, die ausgelassene Stimmung und das Feiern in den Vordergrund: „Ob gross, ob klein, met Musik, Danz un Klaaf, 3 mol von Hätze Kerpen Alaaf!“ heißt es in Kerpen und „Mit ´ner Pappnas´ im Konfettiregen, feiern wir mit euch das Leben!“ in Nettetal-Lobberich.

Wenige Leitsprüche beziehen sich auf aktuelle gesellschafts- oder lokalpolitische Themen, wie in Bad Münstereifel: „Dat Städtche bahl widder parat, die Gastro noch immer malad!“ (der Ort wurde durch die Flutkatastrophe 2021 stark zerstört; mehr zur Reflektion von Krisen in Karnevalsmottos gibt’s hier zu lesen). In anderen Orten stehen die Tollitäten im Mittelpunkt, so feiert Morsbach mit dem Motto „Als Held in Morsbach geboren, als Prinz der Republik auserkoren und jetzt hier vor Euch zu stehen, das ist mein Traum von Karneval in Mueschbech deheem!“ seinen Prinzen Markus (Held) I.

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Sprachkarte zur Sprache in Karnevalsmottos 2024

Standardsprache, Dialekt - oder von beidem etwas

Wie die genannten Mottos bereits vermuten lassen, gibt es auch aus sprachlicher Perspektive einen Unterschied zwischen den Wahlsprüchen: Die einen sind auf Hochdeutsch formuliert, die anderen im Dialekt. Von insgesamt 74 untersuchen Karnevalsmottos sind 41 im Dialekt, 17 auf Hochdeutsch und 16 in einer Kombination aus beiden Varietäten verfasst. Bei diesen „gemischten“ Sprüchen ist die „Hauptsprache“ die Standardsprache (Hochdeutsch), kombiniert mit einem einzelnen Dialektwort. In den meisten Fällen (10 von 16) ist dieses Wort jeck, das wohl als einer der typischsten Karnevalsbegriffe bezeichnet werden kann. Auch dialektale Ortsnamen kommen in diesen Mottos gerne vor: „Zusammen statt einsam - Stroelse Jecke feiern gemeinsam“ (Straelen) oder „Gespenster drehen ihre Runde – in der Schliebijer Geisterstunde“ (Leverkusen-Schlebusch).

Betrachtet man genauer, aus welchem Dialektgebiet die Mottos jeweils stammen, zeigen sich deutliche Unterschiede. Im zentralen Rheinland (ripuarisches Dialektgebiet), rund um die Karnevalshochburgen Köln und Bonn, sind die meisten Mottos im Dialekt formuliert (34 von 49). So heißt es in Aachen „Vür kleäve zesame“, in Meckenheim „Im Hätze jood – met Tradition im Blood“ und in Rheinbach „Möge de Fastelovend mit üch sin. Im Südniederfränkischen, also zwischen Benrather und Uerdinger Linie, halten sich die verschiedenen Varianten etwa die Waage, sechs Mottos sind im Dialekt („Nüss is bunt - Fastelovend jeht et rund“, Neuss), drei sind hochdeutsch, enthalten aber das dialektale „Karnevalswort“ jeck („Wir sind jeck, wir sind bunt, bei uns geht’s rund“, Mettmann) und sieben sind vollständig auf Hochdeutsch formuliert („Rosenmontag 44 Jahr – In Büttgen werden Träume wahr!“, Kaarst-Büttgen).

Nördlich der Uerdinger Linie, im Kleverländischen am nördlichen Niederrhein, sind insgesamt nur wenige Karnevalsmottos dokumentiert. Die meisten sind hochdeutsch bzw. hochdeutsch plus jeck („Die Piraten entern das Froschdorf und besetzen den Adlersaal „, Alpen, „Emmerich tut kund, wir sind jeck und bunt!“, Emmerich), nur eins ist im Dialekt („Berger Jecke trecken“, Tönisberg). Aus dem ostbergischen Dialektgebiet liegen nur vier Karnevalsmottos vor, sie sind entweder auf Hochdeutsch verfasst oder auf Hochdeutsch mit einigen Dialektwörtern („7 Dörfer, eine Stadt. Gemeinsam jeck“, Wipperfürth, „Karnevalsmagie – lustig und bunt wie nie!“, Wuppertal).

Die jecken Tage selbst werden in den Mottos natürlich auch mehrfach benannt (in 18 von 74 Sprüchen), hierfür gibt es drei Möglichkeiten: Fastelovend (5 Nennungen), Fasteleer (4) und Karneval (9). Bei den beiden ersten Varianten handelt es sich um dialektale Wörter, beide gehen auf mhd. vastnaht bzw mnd. vastnacht ‚Nacht, d. h. Vorabend vor den Fasten’ zurück (Honnen 2018, S. 118). Der Begriff Karneval kam über das Hochdeutsche und die Städte in die rheinische Sprache, heute findet er sich auch in dialektalen Mottos. Die genaue Herkunft von Karneval ist bis heute nicht geklärt; auszugehen ist offenbar von einer im mittellat. und ital. verbreiteten Bezeichnung der Tage vor der Fastenzeit als Zeitraum oder Tag des/der ‚Fleischwegnehmen, Fleischwegnahme‘ (vgl. DWDS: Karneval).

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Logo für das Bonner Karnevalsmotto mit Clown und Straßennamen
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Das Bonner Karnevalsmotto 2024 | © Festausschuss Bonner Karneval/Agentur Welzenbachs

Gründe für die Sprachwahl

Für die unterschiedlich häufige Verwendung von Dialekt in den Karnevalsmottos der verschiedenen Regionen gibt es wohl mehrere Gründe. So ist davon auszugehen, dass es nicht überall im Rheinland noch gleich viele Dialektsprecher:innen gibt (Karte „Dialektverlust“ in Cornelissen 2008, S. 105). Zwar liegen hierzu keine verlässlichen Zahlen vor, der Eindruck ist aber, dass in der Kölner Bucht und in der Eifel noch mehr Menschen Dialekt sprechen als am Niederrhein. Und für das Bergische Land kann vermutlich von noch weniger Dialektsprechern ausgegangen werden. Ausschlaggebender als die Dialektkompetenz selbst wird aber die Assoziation des jeweiligen Dialekts mit dem Thema „Karneval“ sein. Und hier ist der Kölner Stadtdialekt (‚Kölsch‘) mit Sicherheit die wichtigste Mundart. Die rheinische Karnevalshochburg „strahlt“ auf die umliegenden Orte aus und dient ihnen als Vorbild. So hatte die Domstadt seit dem ersten Nachkriegs-Karnevalszug 1949 fast in jedem Jahr ein dialektales Motto, was sich die Städte und Dörfer im näheren Umkreis wohl zum Vorbild nahmen. Dahingegen gibt es in Düsseldorf erst in den letzten 30 Jahren vermehrt Mottos im Dialekt. Mehr zum Thema „Karneval als ‚Dialektretter‘“ gibt es hier zu lesen.

Doch je weiter die Orte (nördlich) von Köln entfernt liegen, umso größer werden die Unterschiede zwischen dem eigenen Dialekt und dem Kölner Dialekt – ein kölsches Karnevalsmotto am nördlichen Niederrhein würde von den Jecken vielleicht gar nicht verstanden werden. Doch anstatt ein Motto im eigenen Dialekt zu formulieren, wird in diesen Städten und Dörfern auf das Hochdeutsche „ausgewichen“.

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Logo für das Kölner Karnevalsmotto 2024, Skyline Köln mit bunten Kreisen und Theatervorhang
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Das Kölner Karnevalsmotto 2024 | © Festkomitee Kölner Karneval