„Dat Portal“ op Jück: Passau

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Eine Dienstreise, die ist lustig, eine Dienstreise, die ist schön – vor allem, wenn es in so pittoreske Gegenden wie das niederbayrische Passau zur Jahrestagung der Gesellschaft für germanische Sprachgeschichte geht.

Passau ist bekannt als Drei-Flüsse-Stadt. Hier münden die blaue Donau, die fast schwarze Ilz und der grüne Inn ineinander, und wer schon einmal am Dreiflüsseeck war, hat das Farbenspiel, das bei ihrem Zusammenfließen entsteht, aus nächster Nähe bewundern können. Denn anstatt sich sofort miteinander zu vermengen, sind die unterschiedlich gefärbten Wassermassen noch für eine ganze Weile stromabwärts erkennbar. Ich empfehle Ihnen, sich die Luftaufnahmen einmal im Internet anzusehen, wenn Sie noch nie vor Ort waren. 

Der Name Passau wird in einer Chronik aus dem Jahr 1493 so erklärt, dass er vom mittellateinischen passus ‚Bergpass‘ abgeleitet ist. Frühere Belege des Ortsnamens zeigen allerdings auf, dass diese Herleitung irreführend ist und einer zufälligen Homonymie, also Gleichlautung erliegt.

Tatsächlich geht der Ortsname auf eine Kohorte eines westgermanischen Stammes zurück, die in spätrömischer Zeit dort stationiert war: den Batavern. 425—430 ist Passau verschriftlicht als tribunus cohortis nonae Batavorum, Batavis. Auch in einer Quelle von 511, in der der Autor den Ort Batavis zwischen den Flüssen Aenus und Danuvius verortet, lässt sich ganz eindeutig die Bataverkohorte als Namensgeber erkennen: Batavs appellatur oppidum inter utraque flumina, Aenum uidelicet atque Danuuium, constitutum. Erst im mittleren bis späten 8. Jahrhundert taucht erstmalig eine Schreibweise mit P auf: Pazauuua (764—788). Während in den nächsten Jahrzehnten nicht ganz einheitlich p und b verwendet werden, ist Passau erstmalig ab 1381 in der Schreibweise belegt, wie wir sie heute kennen. Aber schauen wir uns einmal die drei soeben erwähnten Flüsse aus sprachlicher Sicht etwas genauer an.

Die Donau ist der zweitgrößte Strom Europas. Sie entspringt im Schwarzwald und mündet in Rumänien schließlich ins Schwarze Meer. Bewundert wegen ihrer blauen Farbe, inspirierte sie unter anderem Johann Strauss zu seinem Walzer „An der schönen blauen Donau“.

Der Name Donau hat eine lange Geschichte. Er geht zurück auf die urindogermanische Wurzel *déh2nu- ‚Fluss, Flüssigkeit‘ und dem dazugehörigen Adjektiv *dānéu̯-o-. Dem wurde das Suffix -io angefügt, das eine individualisierende Bedeutung erzeugt, etwa „ein Fluss, der Fluss“. Aus dieser Form bildeten sich dann keltisch Dānou̯i̯os (auch *Dānou̯i̯ā f.) und lateinisch Danuvius. Die Germanen übernahmen den Begriff, passten ihn jedoch an ihr bekanntes *a(g)wjō f. ‚Land am Wasser, Aue‘ an und bildeten *Dōnawjō. Die mittelhochdeutsche Form Tuonouwe erinnert noch daran.

Die Ilz entspringt im Nationalpark Bayerischer Wald und ist ebenfalls für ihre Farbe bekannt. Anders als die Donau ist sie jedoch nicht blau, sondern braun bis dunkelgrau, weshalb sie auch „Schwarze Ilz“ genannt wird. 

Der Flussname lässt sich bis ins frühe 11. Jahrhundert belegen, ohne dabei viele Entwicklungen durchgemacht zu haben. 1010 finden sich Erwähnungen wie fluminis Ilzisa und Ilzise, 1092 auch inter flumina Ilzes. Belege aus dem 13. Jahrhundert nennen ultra Iltsam und ab Iltsa. Als sich Deutsch zunehmend auch als Schriftsprache durchsetzt, finden sich 1493 ein anderer zumal schwartzer fluss yltz genant, 1568 Ilz flus und 1692 in der Ilz.

Diesem Namen liegt die keltische Form *Elitsa mit dem Suffix -isa zugrunde (zusammengezogen zu *Elit-isa), das vom keltischen *elito- abgeleitet wird. *elito- wiederum geht auf indogermanisch *pelito- zurück (vgl. altirisch palitá, griechisch pelitnós), was ‚grau‘ bedeutet. Somit liegt eine Benennung aufgrund einer Eigenschaft des Flusses vor, nämlich seiner Farbe.

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Blaues Schild, auf dem "Passau Hbf" steht vor einem roten Zug und einem orangen Wolkenhimmel.
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Hier diente eine Bataverkohorte als Namensgeber. | © Eleonore Laubenstein, LVR

Der Inn entspringt aus dem Lunghinsee im Schweizerischen Kanton Graubünden. Er fließt durch Tirol in Österreich und bildet einen Teil der deutsch-österreichischen Landesgrenze und ist für seine grüne Farbe bekannt.

Weiter oben haben wir gesehen, dass im 1. Jahrhundert die Form Aenus bekannt war (105—109 n.Chr.: ripam Aeni fluminis quod Raetos Noricosque interfluit). Zu diesem Zeitpunkt war im Vulgärlatein jedoch der Diphthong /ae/ bereits zu dem Monophthong /ê/ verändert worden, weshalb diese Schreibweise ein wenig verwundert. Zudem erscheint als mittellateinische Normalform Enus (griechisch. Énos) neben Inus bzw. Innus. Wie lässt sich also Aenus erklären? Vermutlich liegt hier eine Hyperkorrektur (also eine Änderung einer eigentlich korrekten Form zu einer, die fälschlicherweise als korrekt angenommen wird) der Schreiber vor, vielleicht um den Namen lateinischer wirken zulassen. Da es zudem einen Dichter namens Ennius gab, könnte das eine Bevorzugung der hyperkorrigierten Schreibweise zur Folge gehabt haben, um Verwechslungen zu vermeiden.

Die Etymologie des Flussnamens ist nicht vollständig geklärt. Der ursprüngliche Name könnte Enos *Eni̯os sein, en ist davon ein Kognat, also ein verwandtes Wort, das sich aus demselben Ursprungswort entwickelte. Falls *Eni̯os auf vorkeltisch *penos zurückgeht, dann entspricht es dem germanischen *fanja- ‚Schlamm‘ und kann an indogermanisch *pen- ‚feucht‘ angeschlossen werden. Diese Bedeutung für einen Fluss ist zumindest naheliegend. Erwähnenswert ist aber, dass *pen- auch ein indogermanisches Verb ist und ‚nähren‘ bedeutet. Würde man daraus also ein Nomen actionis machen, ergäbe sich die Bedeutung ‚womit man nährt/tränkt‘.

Wenn Sie also demnächst mal in der Bataverkohorte sind, schauen Sie doch unbedingt am Dreiflüsseeck vorbei und überzeugen sich selbst von dem beeindruckenden Farbspiel von „Fluss“, „Grau“ und „Feucht“.

 

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Der grüne Inn, im Hintergrund einige helle Häuser und ein Kirchturm vor einem wolkenlosen, blauen Himmel.
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Der grüne Inn | © Eleonore Laubenstein, LVR-ILR