Hochdeutsch und Dialekt im 19. Jahrhundert
Das 19. Jahrhundert begann im Rheinland mit einer neuen Besatzungsmacht: 1794 war das linksrheinische Gebiet des Rheinlandes von französischen Truppen erobert worden, 1805 kam das rechte Rheinufer dazu. Die sogenannte Franzosenzeit endete allerdings bereits 1814 wieder – auf dem Wiener Kongress 1815 kam es zu einer Neuordnung des Gebietes, die 1822 noch einmal modifiziert wurde und in dieser Form dann bis 1945 existierte: die Errichtung der preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen.
Französischer (und anderer sprachlicher) Einfluss im Rheinland
Sprachlich hatten diese politischen Umbrüche erst einmal wenig Einfluss auf die Menschen im Rheinland: Die Franzosen hinterließen weit weniger sprachliche Spuren als gemeinhin angenommen (vgl. Französisch im Rheinland), in den meisten Familien zwischen Bonn und Emmerich wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts genau wie im 18. Jahrhundert das ortsübliche Platt gesprochen wurde. Doch die Bedeutung des Hochdeutschen wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts immer größer. Ein entscheidender Faktor hierbei war die Einführung des verpflichtenden Schulbesuchs im Jahr 1825: In der gesamten preußischen Rheinprovinz lernten Kinder nun die hochdeutsche Schriftsprache. Dies hatte erheblichen Einfluss auf die Alphabetisierung der Bürger:innen – konnten 1816 noch unter 50 % der Menschen im Rheinland lesen und schreiben, waren es 1871 schon 91 %. Das heißt jedoch keineswegs, dass geschriebene Texte aus dieser Zeit frei von Merkmalen des Dialekts sind. Viele Kinder beherrschten bei Schuleintritt nur den heimischen Dialekt, mit dem Hochdeutschen wurden sie im Unterricht das erste Mal konfrontiert. Entsprechend schwer war für viele von ihnen die Umstellung, zumal es zu dieser Zeit keine entsprechende Didaktik für dialektsprechende Kinder gab. So gehörten für viele von ihnen schlechte Noten aufgrund mangelnder Hochdeutschkompetenz und Bloßstellung durch Lehrer:innen und Mitschüler:innen zum Schulalltag.