Jiddisch im Rheinland
Was hat Jiddisch mit der rheinischen Sprachgeschichte zu tun? Eine ganze Menge.
Die Geschichte des Jiddischen begann vor rund elfhundert Jahren im rheinfränkischen Gebiet um die Städte Worms, Speyer und Mainz. In diese Region waren vorrangig Französisch sprechende Jüd:innen eingewandert, die sich innerhalb weniger Generationen die dortige Umgangssprache, einen rheinfränkischen Dialekt, aneigneten. Allerdings blieb ihr Wortschatz deutlich durch ihre französische Vergangenheit geprägt, wie noch heute die Mundartwörter preien ('jemanden bitten') und dormeln/dörmeln ('schlafen') illustrieren können, die die Menschen im südlichen Rheinland damals von den jüdischen Zugewanderten übernommen haben. Dazu kommt als dritte Komponente das Hebräisch-Aramäische, das als "Sprache der Heiligkeit" zwar keine Rolle als gesprochene Sprache spielte, aber als Kultsprache in der Synagoge und als Sprache der heiligen Texte immer gegenwärtig war.
Aus dem Rhein-Main-Dreieck wanderten die Jüd:innen auch in das zentrale Rheinland; in Köln entstand die größte jüdische Gemeinde nördlich der Alpen. Wie diese rheinischen Jüd:innen tatsächlich im Mittelalter gesprochen haben, wissen wir selbstverständlich genauso wenig, wie wir das von ihren Deutsch sprechenden Nachbar:innen wissen können. Allerdings belegen neueste Ausgrabungen im mittelalterlichen jüdischen Viertel in Köln, dass dessen damalige Bewohner:innen zumindest sprachlich völlig in der Stadt integriert waren. Nach den dort gefundenen, auf Schiefertäfelchen – in hebräischer Schrift – eingeritzten Namenslisten hießen die jüdischen Kölner:innen nicht anders als ihre christlichen Nachbar:innen, nämlich Vivelmann, Lyvermann, Duremann, Lippmann, Kruse und mit Vornamen Koppchen (hier lässt der kölsche Köbes grüßen), Bella, Gutchen oder Gotzalk. Das lässt vermuten, dass die kölnischen Jüd:innen im mittelalterlichen Alltag "Kölsch" gesprochen haben.