Heinrich Dittmaier

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Heinrich Dittmaier hat sein gesamtes Forscherleben in der Sprachabteilung des damaligen Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn verbracht, die vor dem Zweiten Weltkrieg noch "Abteilung für rheinische Mundartforschung und Volkskunde" hieß. Eine Würdigung seiner wissenschaftlichen Arbeit ist somit auch so etwas wie ein Aufriss der sprachwissenschaftlichen Forschung dieses mittlerweile abgewickelten Universitätsinstituts.

Bereits in seinem ersten Semester 1930 wurde Heinrich Dittmaier als studentische Hilfskraft für Arbeiten am gerade ins Leben gerufenen Rheinischen Flurnamenarchiv engagiert, die ein ehemaliger Kollege so beschreibt: "Hier hat der Student Dittmaier damals Zettel um Zettel aus dem Flurnamenregister ausgeschrieben mit einem Fleiß und einer Hingabe, in denen sich die Liebe zur Sprach- und Namenforschung offenbarte und mit denen er die Aufmerksamkeit der Leitung auf sich zog." (Zender 1976, S. 102) Diese entsagungsvolle Zettelwirtschaft, die heute im Zeitalter elektronischer Datenbanken kaum noch vorstellbar ist, ist Heinrich Dittmaier in den folgenden vierzig Jahren als Sprachwissenschaftler und Namenkundler nicht mehr losgeworden: "So lebt denn Dr. Dittmaier sozusagen in freiwilliger rheinischer Isolierung, umgeben von vielen Tausend Zetteln seiner Lebensarbeit…" (Zender 1976, S. 102) Noch kurz vor seinem Tod im Jahr 1970 hatte er die "Zettel" zu den letzten drei Lieferungen des "Rheinischen Wörterbuchs" in seinen Händen, die das große Wörterbuchprojekt endlich abschließen sollten (Zender 1971).

Damit sind auch die beiden Eckpunkte genannt, die seine wissenschaftliche Arbeit zeit seines Lebens bestimmt haben: die Mundart-, oder besser "volkssprachliche" Forschung, und die Namenkunde. Wobei die beiden Disziplinen eigentlich weniger Eckpunkte als Punkte auf einer Kreisbahn waren, denn Heinrich Dittmaiers Arbeiten veranschaulichen sehr schön die enge Verbundenheit, wenn nicht gar die Abhängigkeit von Dialektologie und Onomastik.

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Heinrich Dittmaier | aus: Rheinische Vierteljahrsblätter 35/1971, Vorsatz
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Heinrich Dittmaier | aus: Rheinische Vierteljahrsblätter 35/1971, Vorsatz

Schon seine ersten oben bereits gewürdigten Zettelarbeiten sind dafür ein ideales Beispiel. Die Aufgabe des Studenten Heinrich Dittmaier bestand nämlich darin, die riesige Zettelsammlung des Rheinischen Wörterbucharchivs zu durchforsten, um alle dort verzeichneten Flurnamen zu exzerpieren. Diese Belege bildeten den Grundstock des neuen Rheinischen Flurnamenarchivs, für das ab 1930 im gesamten Rheinland mehrere Hundert ehrenamtliche Mitarbeiter angeworben wurden. Als festangestellter Mitarbeiter hat er dann in den Jahren 1937-1940 auch das aus Karten und Flurbüchern der Katasterämter gezogene Material verzettelt und in das Archiv eingearbeitet. So wuchs der Zettelkatalog des Archivs von 50000 Zetteln im Jahr 1932 auf 200000 im Jahr 1936 und schließlich auf über 500000 im Jahr 1942. Immerhin konnte der junge Student seine mühsame Beschäftigung dazu nutzen, an seiner Promotion zu arbeiten. Seine Doktorarbeit und damit seine erste namenkundliche Veröffentlichung erschien 1944 unter dem Titel "Die Gewässernamen auf –apa".

Man kann sich leicht vorstellen, wie es ihm zumute gewesen sein muss, als er mitten im Krieg erfuhr, dass "sein" auf 25 Kästen verteiltes Flurnamenarchiv nach einem Bombenangriff zum Schutz vor den Flammen kurzerhand aus dem Fenster geworfen worden war. Das so "in Unordnung geratene Archivmaterial" ist in der Folgezeit nie mehr vollständig reorganisiert worden und verfügt heute nur noch über etwa 200000 Zettel (Vogelfänger 2010, S. 68). Glücklicherweise hatte man am Institut schon seit 1937 mit den Arbeiten für das "Rheinisches Flurnamenbuch" begonnen, so dass schon ein gewisser Teil des Bestandes ausgewertet worden war.

Nach dem Krieg hatte Heinrich Dittmaier allerdings erst einmal einen ganz anderen Zettelberg zu überwinden. Ihm war die Aufgabe übertragen worden, das große Rheinische Wörterbuch fertig zu stellen, nachdem der langjährige Leiter des Projekts, Josef Müller, 1945 verstorben war. Der hatte zwar die letzen drei Bände bereits fertig konzipiert, aber die Einarbeitung in seinen Nachlass und die Aufarbeitung seiner nur schwer lesbaren "Zettel" (Zender 1964, S. 208) war eine große Herausforderung, der sich Dittmaier nun bis zu seinem Tod 1970 widmete. Das Erscheinen des letzten Bandes des Wörterbuchs im Jahre 1971, den er fast vollendet hatte, erlebte er nicht mehr.

Dass er neben dieser Redaktionsarbeit überhaupt noch Zeit für seine namenkundlichen Studien fand, ist fast ein Wunder. Und sogar rein volkskundliche Themen waren ihm nicht fremd, wie z.B. seine Sammlung "Sagen, Märchen und Schwänke von der unteren Sieg" aus dem Jahr 1950 belegt. Und auch sehr "moderne" Themen finden sich bei ihm. So war er mit seiner auch heute noch mit Gewinn zu lesenden Untersuchung zum "Wortschatz der rheinischen Umgangssprache" 1957 der sprachwissenschaftlichen Forschung, die zu dieser Zeit die Umgangssprache eher misstrauisch beäugte, weit voraus.

Doch für alle, die sich für rheinische Landeskunde interessieren, ist sein Name untrennbar verbunden mit dem Buch "Rheinische Flurnamen" – das streng genommen ursprünglich gar nicht seines war. Denn auch hier war er wieder der Erarbeiter und schließlich Erbe einer umfangreichen Zettelsammlung. Ein erster Manuskriptentwurf war bereits 1942 unter der Leitung von Prof. Adolf Bach fertig gestellt worden, nachdem seine Assistenten Paul Melchers und Heinrich Dittmaier das Material dazu zusammengetragen hatten. Zu einer Veröffentlichung kam es in den Zeiten des Krieges allerdings nicht mehr. Erst im Jahr 1960 wurde schließlich der alte Plan wieder aufgegriffen und Dittmaier, der bereits einen großen Teil des Manuskripts verantwortet hatte, mit dessen Überarbeitung beauftragt. Dass er das Buch 1963 schließlich unter seinem Namen veröffentlichen konnte (mit dem Zusatz "unter Mitarbeit von P. Melchers"), belegt seine Rolle bei der Entstehung und auch die Wertschätzung, die er bei seinen Kollegen genoss.

Die "Rheinischen Flurnamen" sind so etwas wie die Essenz des Rheinischen Flurnamenarchivs. Sie berücksichtigen bei weitem nicht alle Flurnamen, die man im Rheinland vorfindet. Sehr viele der Namen sind nur ein- oder zweimal belegt, andere wieder standardnahe Feld-Wald-Wiesen-Namen, die leicht von jedermann und jederfrau zu entschlüsseln sind. Stattdessen wurde der Zettelkatalog des Archivs "in der Absicht durchgearbeitet, jene Stichwörter des Flurnamenbuches zu gewinnen, die häufig auftretende Namen darstellen, deren Bedeutung zwar den Mundarten geläufig ist oder war, die jedoch der hochdeutschen Schriftsprache unserer Tage unbekannt sind." (Dittmaier 1963, S. 1) Dies bedeutet andersherum, dass Flurnamen eigentlich ohne Kenntnis der regionalen Mundarten nicht gedeutet werden können. Hier zeigt sich aufs Schönste, wie ideal die Kombination von Wörterbuchkanzlei und Flurnamenarchiv seinerzeit im Institut für geschichtliche Landeskunde gewesen ist. Und da Heinrich Dittmaier in beiden Abteilungen zu Hause war, hatte man in ihm den "idealen" Autor für ein "Rheinisches Flurnamenbuch" gefunden. Wie eng Mundart und Flurnamen miteinander verwoben sind, wie Heinrich Dittmaier die Belege des Rheinischen Wörterbuchs für die namenkundliche Forschung genutzt und wie er die Ergebnisse auch in Karten übertragen hat, soll an einigen Beispielen veranschaulicht werden.

Am Niederrhein und im zentralen Rheinland nennt man eine feuchte, baumlose und nicht eingefriedete Wiese, die an einem Bach liegt, Bend oder Band. Der entsprechende Wortartikel im Rheinischen Wörterbuch (Bd. 1, Sp. 436) zeigt sehr schön, wie die Aussprache exakt der rheinischen Lautgeographie folgt: Im Südniederfränkischen (SNfrk) findet man durchgehend die velarisierten Varianten Bengk oder gerundet Bongk. Daneben existieren Sonderformen wie Banden oder Bande, die vereinzelt im Bergischen Land auftreten. Nicht belegt sind hier die mouillierten Formen Bäntj und Bantj, die typisch für den Selfkant (und das angrenzende Limburgische) und im entsprechenden Flurnamenartikel von Dittmaier genannt sind. Interessant ist auch, dass in Heinsberg, Erkelenz, Dinslaken und Elberfeld die Bende weiblichen, der Bend sonst durchgehend männlichen Geschlechts ist. Schließlich ist die Sonderbedeutung "Kirmesplatz" in Aachen und Geilenkirchen bemerkenswert, die sonst nirgendwo zu finden ist. Noch heute heißt die jährlich zweimal stattfindende Großkirmes in der Karlsstadt "Aachener Bend", auch wenn sie heute nicht mehr auf einer sumpfigen Wiese stattfindet.

Es ist gut erkennbar, dass der Wortartikel "Bend" aus dem Rheinischen Wörterbuch als Vorlage für die Karte gedient hat, die Dittmaier unter dem Titel "Benden als Appellativ" (also als Gattungs-, nicht als Flurname) in seinen "Rheinischen Flurnamen" veröffentlicht hat. Selbst die isolierte Meldung "eingehegte Gartenwiese" aus Prüm ist hier verzeichnet. In der Kartendarstellung fällt die kompakte, sehr gleichmäßige und dabei vor allem im Süden scharf umgrenzte Verteilung des Wortes besonders auf. In der Eifel und im rechtsrheinischen zentralen Rheinland fehlen die Belege völlig.

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Eintrag "Bänd" | aus: RhWb, Bd. 1, Sp. 436-438
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Eintrag "Bänd" | aus: RhWb, Bd. 1, Sp. 436-438

Bringt man diese "Appellativ-Karte" mit der Karte zur Deckung, die das Vorkommen von Benden/Bände als Flurname verzeichnet, so lässt sich eine große Übereinstimmung feststellen: Das Verteilungsbild ist sehr ähnlich. Allenfalls im angrenzenden Süden scheint der Flurname minimal weiter zu streuen als das Wort selbst, was auf einen einst größeren Geltungsbereich hindeuten könnte (Westphal 1934, S. 168). Diese Übereinstimmung scheint auf den ersten Blick selbstverständlich, ist es aber nicht unbedingt. Denn bei Erhebungen zu Flurnamen oder zum mundartlichen Wortschatz ist es nicht immer leicht, exakt zwischen Sachbezeichnungen und fest gewordenen Ortsbezeichnungen zu trennen. Haben die Befragten also mit ihrem jeweiligen Benden-Beleg irgendeine oder eine ganz bestimmte Heuwiese gemeint? Diese Frage ist besonders bei den Flurnamen schwer zu beantworten, in denen das Wort nur als Simplex, also nicht als Grundwort in Zusammensetzungen wie Hermesbenden oder Uelenbend erscheint. Bei letzteren handelt es sich eindeutig um Namen, da hier bestimmte Wiesen durch eine einschränkende Bezeichnung aus der Gesamtheit aller Dorfwiesen herausgehoben wurden. Der Satz dat Haus steht in den Benden ist dagegen in dieser Form zweideutig, dennoch macht diese Flurnamenvariante in der Karte eindeutig das Gros der Belege aus. Da in der Sprache Verwechslungen möglichst vermieden werden, kann dies nur zweierlei bedeuten: Die Sache selbst, also die nicht eingefriedete Wiese, die man früher allgemein Benden genannt hat, existiert nicht mehr, geblieben ist nur der Ort selbst, der so bezeichnet wurde - die ehemalige Sachbezeichnung ist so zur Ortsbezeichnung geworden, eine Verwechslungsgefahr besteht nicht mehr. Oder aber das Wort Benden selbst ist als Sachbezeichnung in der Sprache der Region überhaupt nicht mehr lebendig, (vielleicht weil solch unberührte Wiesen kaum noch zu finden sind), und die Menschen erleben das Wort nur noch als Flurbezeichnung, ohne den eigentlichen Inhalt überhaupt noch zu kennen. Auch in diesem Fall sind Verwechslungen von Sache und Name ausgeschlossen. Man kann in der Tat annehmen, dass überall dort, wo in der "Flurnamenkarte" Benden als Simplex erscheint, das Wort in der gesprochenen Sprache nahezu verschwunden ist. Die Flurnamen sind also Museen alter, verlorengegangener Mundartwörter.

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Benden als Flurname | aus: Dittmaier 1963, Karte 5a, S. 24
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Benden als Flurname | aus: Dittmaier 1963, Karte 5a, S. 24

Nun ist in der Namenkunde die Beschreibung eines Wortareals kein Selbstzweck, sondern wichtige Voraussetzung zur Lösung der namenkundlichen Gretchenfrage: Wo kommt der Name her? Heinrich Dittmaiers Antwort im Flurnamenartikel zu Benden fällt dazu recht knapp aus: "Die niederrhein. Belege banement usf. deuten bezüglich der Herkunft dieses Wortes bzw. Namens auf mlat. banimentum, banementum und zwar in der Bed. 'Heuwiese, die zeitweise gegen Beweidung gebannt, gesperrt war'. Die Lautentwicklungen Beemd (ndl.), Banden, Benden, Bind gehen von dort aus." Den wenigen, man könnte auch sagen bescheidenden Worten kann man nicht ansehen, welch immensen wissenschaftlichen Aufwand Dittmaier betreiben musste, um zu diesem, wie es scheint, ganz einfachen Ergebnis zu gelangen.

Er hat die komplizierte Herleitung an anderer Stelle einige Jahre vorher ausführlich beschrieben (Dittmaier 1958, S. 108). An dem Wort oder Namen Benden hatten sich schon einige der bekanntesten Namenkundler der Zeit versucht. J. Leithaeuser hatte ihn zu dem Verb binden gestellt und als 'eingefasst' gedeutet, H. Jellinghaus aus dem spanischen banda (eigentlich ein fränkisches Lehnwort mit der Bedeutung 'Streifen, Rand') abgeleitet und J. Lindemans mit dem niederländischen bameide ('Umzäunung') in Verbindung gebracht. Und auch Dittmaier selbst hatte in seinem Buch "Siedlungsnamen und Siedlungsgeschichte des Bergischen Landes" bereits eine Etymologie (zu nhdt. Beunde) veröffentlicht (Dittmaier 1956, S. 97), die er aber später wieder verwerfen musste. Das eigentlich eher unscheinbare Benden bereitete den Namenkundlern offensichtlich große Schwierigkeiten.

Heinrich Dittmaier ging das Problem deshalb systematisch an und sammelte alle erreichbaren historischen Formen des Namens. Neben bekannten wie de bambt (1330 bei Kleve), beent (1395 Xanten) oder beende (1464 bei Köln) fand er auch Belege, die bis dahin nicht mit dem Flurnamen Benden in Verbindung gebracht worden waren: Panement (1300 bei Moers), Baynmente (1400 bei Xanten) oder Bamment (1420 bei Moers). Von diesen Namen ausgehend konnte er schließlich die Altformen des Ortsnamens Hermespant bei Prüm Hermansbanyde, Hermansbanenem oder Hermansbanyde zuordnen und damit den Ortsnamen selbst erstmals als Benden-Ort erkennen. Damit konnten auch die anderen Pant-Flurnamen, die in der Eifel zu finden sind, dem Benden-Flurnamentyp zugeschlagen werden: Deitesband, Haarspant, Sederbant, Zellerband usw. Auch dies ist im Übrigen ein Indiz dafür, dass der Flurname in frühen Zeiten auch im rheinischen Süden weiter verbreitet war.

Aus Weistümern konnte er schließlich belegen, dass Benden oftmals Bannwiesen waren, deren landwirtschaftliche Nutzung zu bestimmten Jahreszeiten eingeschränkt war. In den überlieferten Lautvarianten des Flurnamens war also offensichtlich der Begriff des "Bannens" enthalten gewesen. Von hier aus war es bis zur Ableitung aus dem mittellateinischen ban(n)imentum 'Verbannung, Geldstrafe usw.' nicht mehr weit. Allerdings war die Suche damit noch lange nicht beendet, denn das lateinische Wort kommt in keiner bekannten Urkunde im Zusammenhang mit Bannwiesen und damit in der Bedeutung 'gebanntes Gelände' vor. Die Lösung fand Dittmaier nach vielen, hier nicht weiter beschriebenen, Zwischenschritten schließlich im wallonischen Altfranzösischen, wo das Wort aus lateinischen Wurzeln entstanden sein muss. Von dort ist es schließlich ins Rheinland gewandert.

Schon diese eine Etymologie macht deutlich, welch immense Arbeit in einem Buch wie den "Rheinischen Flurnamen" steckt, das hunderte solcher Herleitungen bietet. Die damit verbundene Zettelwirtschaft in Dittmaiers Arbeitszimmer mag man sich heute gar nicht erst vorstellen.

Besonders auffällig in der Flurnamenkarte zu Benden ist die scharfe Wortgrenze entlang der Ahr. Nun spielt der Fluss in der rheinischen Wortgeographie bekanntermaßen eine nicht gerade unbedeutende Rolle, wurde er doch vom Altmeister der rheinischen Dialektologie Theodor Frings sogar als "tiefste Bruchstelle in der rheinischen Sprachlandschaft" (Frings 1932, S. 152) bezeichnet, und selbst Nichtmundartsprechenden wissen, dass man im Norden Erdapfel und arbeiten, im Süden dagegen Grundbirne und schaffen sagt. Deshalb wäre die areale Verteilung von Benden nicht unbedingt eine Überraschung, wenn es denn eine südliche Entsprechung gäbe. Die gibt es jedoch nicht. Die Eifel kennt kein Wort für eine "vom Wasser durchflossene oder am Bach liegende, abgelegene, baumlose und nicht eingezäunte Heuwiese". Ob die Menschen in der Eifel keine Notwendigkeit sahen, eine solche Wiese überhaupt zu benennen oder ob solche Wiesen in den engen Bergtälern der Eifel sehr selten waren, darüber wird man nur spekulieren können.

Allerdings gibt es ein Wort mit ähnlichem Bedeutungshorizont, das südlich der Ahr sowohl im appellativischen Wortschatz als auch bei den Flurnamen eine wichtige Rolle spielt und sogar eine gewisse Exklusivität beanspruchen kann: Pesch oder Päsch. So bezeichnet man in der Eifel eine "eingezäunte, ertragreiche Wiese oder Weide (beim Haus)". Das Wort selbst ist zwar auch nördlich der Ahr verbreitet – hier oft auch als Pasch/Pass -, allerdings hat es dort andere Bedeutungen und bezeichnet entweder eine 'üppig wuchernde Wiesenstelle' in der Gegend um Mönchengladbach oder ein 'kleines, vereinzeltes Waldstück' weiter im Norden. Der Pesch/Päsch als landwirtschaftlich genutzte Wiese ist also sehr typisch für die Sprachlandschaft Eifel.

Das zeigt sich auch bei den Flurnamen. In der Eifel ist Pesch ein sehr oft belegter und deshalb sehr typischer Flurname sowohl als Simplex als auch als Grundwort in vielen Zusammensetzungen wie Kohlpäsch, Im Hofpesch, Im Appelpesch oder Krumpesch. Die Karte zeigt auch hier ein verblüffend exakt gezeichnetes Wortareal, das im Süden scharf durch die Mosel begrenzt wird und auch im Osten nur sporadisch entlang der Sieg den Rhein überschreitet. Das erklärt sich wiederum aus der rheinischen Wortgeographie. Rechts des Rheins an der unteren Sieg, im Westerwald und südlich der Mosel benutzen die Menschen in der Mundart ein anderes Wort für die 'eingezäunte Wiese am Haus'. Es ist die Bitze, die zwar auch vereinzelt im zentralen Rheinland vorkommt, aber als typisch für die Flurnamenlandschaft des Hunsrücks und Westerwalds gilt.

Die Verteilung belegt im Übrigen lehrbuchhaft, dass zwei Synonyme nur äußerst selten gemeinsam in einer Flurnamenregion zu finden sind. Da man annimmt, dass 'Wald' die ältere Bedeutung (wie noch heute am Niederrhein) von Pesch/Päsch gewesen ist, muss das Wort in der Eifel einen Bedeutungswandel durchgemacht haben, als dessen Folge dann die Bitze aus dem Sprachgebrauch der Eifel (bis auf ein kleines Reliktgebiet um Adenau) verschwand (Vogelfänger 2010, S. 247, Westphal 1934, S. 165). Damit hat das romanische Lehnwort das deutsche Wort verdrängt und den Ruf der Eifel als "Sammelstelle überhaupt für romanisch-westliche Reste" (Westphal 1934, S. 165) eindrucksvoll bestätigt. Denn während die Bitze auf das althochdeutsche bizuni 'eingezäuntes Grundstück' zurückgeht, ist der Pesch/Päsch lateinischen Ursprungs. Zugrunde liegt lateinisch pascuum 'Weide'; aber auch hier handelt es sich nicht um eine direkte Entlehnung, denn sonst wäre der Genuswechsel nicht zu erklären. Offensichtlich ist Pesch auf Umwegen über den romanischen Sprachraum in das Rheinland gelangt (Dittmaier 1963, S. 225).

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Pesch als Flurname | aus: Dittmaier 1963, Karte 28a, S. 223
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Pesch als Flurname | aus: Dittmaier 1963, Karte 28a, S. 223

Pesch und Benden sind nur zwei von etwa 2000 Flurnamen, die Dittmaier in seinen "Rheinischen Flurnamen" bearbeitet und vorgestellt hat. Noch heute kann man im mittlerweile verwaisten Flurnamenarchiv im Gebäude des ehemaligen Instituts für geschichtliche Landeskunde am Hofgarten 22 in Bonn viele Zettel finden, die seine Handschrift oder seinen Namen tragen.

Doch damit nicht genug. Im Jahr 1966 berichtete er erstmals von einem weiteren Projekt, für das er bereits erneut eine stattliche Zettelsammlung angelegt hatte: das Historische Rheinisch-Westfälische Bei- und Familiennamenbuch (Dittmaier 1966). Mit der Sammlung für das dazugehörige Archiv hatte er in den Fünfziger Jahren begonnen, im Berichtsjahr war bereits eine halbe Million Zettel zusammengekommen. Leider hat sein früher Tod im Jahre 1970 seine Arbeiten an diesem Projekt jäh unterbrochen, in seiner Nachfolge hat sich niemand mehr an diesen Zettelberg gewagt. Welch großer Verlust das für die rheinische Namenkunde ist, wie interessant auch das Feld der rheinischen Familiennamen ist und wie anschaulich Heinrich Dittmaier darüber berichten konnte, das veranschaulicht der im Folgenden abgedruckte oben bereits erwähnte Aufsatz.

Sehr zu Recht erinnert die Stadt Bonn mit der Heinrich-Dittmaier-Straße in Ückesdorf an den großen rheinischen Namenforscher, eine seltene Ehre für einen Sprachwissenschaftler.