Wörterbuch rheinischer Alltagssprache

Sack

Erklärung

Kommt in vielen Bedeutungszusammenhängen vor. Da ist zuerst natürlich der 'Hodensack': "Kratz dich doch nich hier im Lokal am Sack. De hat den voll innen Sack getreten. Pack dich annen Sack (du kannst mich mal)."

Man kann einem auch "ne Klinke an den Sack labern" (zureden).

"Alle in einen Sack un draufhaun, triffste immer den Richtigen."

Eine beliebte Frage ist auch: "Ey, habt ihr Säcke inne Tür?" wenn jemand die Tür hinter sich offen lässt.

"im Sack haben" und "im Sack sein". Während "Dat Ding ham wer im Sack" 'etwas erledigt haben' bedeutet, meint "Dat Dingen is ja im Sack" genau das Gegenteil wertlos sein, zu entsorgen.

"am Sack haben" 'ausgeliefert sein':" Jetz ham wer se am Sack."

"im (in den/der) Sack hauen" 'kündigen, verschwinden': "Ich hau im Sack! Ich hau im Sack, hier is doch nix los. Wenn ich im Lotto gewinn, hau ich sofort im Sack."

"jemanden in den Sack stecken" 'jemanden übertrumpfen, ausstechen': "Den steck ich im Schach doch locker in den Sack."

"jemandem auf den Sack gehen" 'jemanden nerven': "Geh mir nich auf den Sack mit deinem blöden Gelaber."

"aufen Sack legen": "Ich lech mich wat aufen Sack" (einen Mittagsschlaf machen).

"Sack" eignet sich auch als Schimpfwort: "Ey du Sack! Der alte Sack hat sich ne ganz junge Perle geangelt."

"Sack un Pack": "Die Meiers ham sich mit Sack un Pack vom Acker gemacht (mit allen Besitztümern)."

Hier gehören auch die "Sackratten" hin: "Ich glaub, ich hab mir Sackratten geholt (Filzläuse). Die alte Sackratte die! (Schimpfwort)"

Vielfältige Möglichkeiten gibt es bei übertragenen Bedeutungen: "Der hängt da wie en nasser Sack. Ich hab gestern bei der Fima innen Sack gehauen (gekündigt). Der geht mir mit seinem Geseire dermaßen auf den Sack, dat kannze dir nich vorstellen. Der Sack soll bloß nich wieder kommen. Der alte Sack hat sich doch glatt an die junge Perle rangemacht. (eher unsympathischer Mann)"

"Sackgesicht", "Saftsack", "Sausack" 'miese Type': "Dat alte Sackgesicht hat sich doch einfach vom Hocker gemacht. Ey du Sausack, pack dat Mädchen nich an. Du alter Sausack, haste mir mein Bier weggetrunken?"

"Fettsack" 'dicker Mensch'.

"Schnarchsack" 'langsamer, traniger Mensch'.

Sack Seife

Erklärung

In der Wendung "angeben wie ein Sack Seife" 'prahlen, aufschneiden': "Der Norbert gibt mal wieder an wie ein Sack Seife!"

In Bochum sagt man auch: "jemanden gefressen haben wie einen Sack Seife" bzw. "einen Sack warme Sülze", wenn der/diejenige sich extrem daneben benommen hat.

Säcke

Erklärung

in der Wendung "Säcke vor den Türen haben" 'jemanden auffordern die Tür zu schließen': "Sag mal, habt ihr zu Hause Säcke vor den Türen oder warum machst du die Tür nicht zu?"

sacken

Erklärung

In der Wendung "etwas sacken lassen" 'eine Nachricht oder ein Ereignis verarbeiten': "Dat mit dem Tod von Onkel Günter muss ich ersma sacken lassen. Lass den ma in Ruh, der muss dat ersma sacken lassen."

Sacktuch

Erklärung

"Sackdooch" ist im südlichen Rheinland das 'Taschentuch'.

Text

Die meisten Menschen sprechen im Alltag kein gestochenes Hochdeutsch, sondern eine mehr oder weniger ausgeprägte Umgangssprache, auch Regiolekt genannt. Sie kann durchaus noch nahe an der Standardsprache sein, oder auch erkennbare dialektale Einflüsse haben. Immer ist sie aber deutlich von der Hochsprache unterschieden, die man in der Regel nur in ganz bestimmten Situationen, etwa in der Schule oder beim Bewerbungsgespräch spricht.

Das ist im Rheinland nicht anders als in Bayern oder Berlin, auch wenn der Abstand zur Standardsprache jeweils größer oder kleiner ist. Auch in Aachen, Köln, Duisburg oder Kleve spricht man ein rheinisch gefärbtes Deutsch, das ein für Außenstehende deutlich erkennbares Identifikationsmerkmal ist. Nur ist die Umgangssprache, anders als die Hochsprache, keine geschriebene Sprache.

Das Problem ist: Über die Standardsprache kann man sich in vielfältigen Wörterbüchern informieren, die alle aus den Werken berühmter Dichter:innen, aus Tageszeitungen oder Zeitschriften kompiliert sind. Umgangssprachliche Wörterbücher dagegen sind sehr selten, denn hier kann man keine schriftlichen Quellen auswerten, sondern ist auf die Sprecher:innen selbst angewiesen. Kein Wunder, dass zum Beispiel alle großen regionalen Dialektwörterbücher wie das Rheinische oder Pfälzische, mehrere Jahrzehnte bis zu ihrer Vollendung gebraucht haben, weil man auf mühselige und aufwendige Fragebogenerhebungen angewiesen war.

Um dies zu ändern, hat sich der ehemalige LVR-ILR Sprachwissenschaftler Peter Honnen Anfang der 2000er Jahre etwas ausgedacht: das Rheinische Mitmachwörterbuch. Die Idee: Mithilfe des Internets sollten die Sprecher:innen mit ihm zusammen ein Wörterbuch der rheinischen Umgangssprache erstellen. Von 2007 bis 2019 konnten Wortvorschläge, am besten mit Bedeutungsangabe und Beispielsatz, auf der Homepage eintragen werden, diese wurden dann umgehend von Peter Honnen gesichtet und veröffentlicht. Zu bestehenden Worteinträgen konnten dann in Kommentaren Informationen ergänzt werden, so war es zum Beispiel von großem Interesse, an welchen Orten überall ein bestimmtes Wort bekannt ist. So ist über die Jahre ein stattliches Wörterbuch herangewachsen: Etwa 4.500 Wörter sind darin nun verzeichnet. Eine solch umfangreiche Dokumentation des alltagssprachlichen Wortschatzes einer Region, die auch noch von den Sprecher:innen selbst angefertigt wurde, ist einmalig im deutschen Sprachraum. Wir danken allen Beitragenden, die über die Jahre das Projekt unterstützt und bereichert haben und freuen uns, dass der Wortschatz der rheinischen Umgangssprache in diesem Online-Wörterbuch nun hervorragend dokumentiert und für jede:n zugänglich ist!