Wörterbuch rheinischer Alltagssprache

hä?

Erklärung

Nicht sehr elegante Variante für "Wie bitte?": "Kannze mich ma ehmt den Zollstock rübber gehm? Hä?! Maan, dat weiße Klappdings da mit den villen schwatzen Strichskes drauf!"

Haare

Erklärung

In der Wendung "etwas in die Haare tun" als Umschreibung für 'Darmwind lassen': "Hasse dir wat in die Haare getan?"

Haback

Erklärung

"Habacken" beleidigend für einen sonderbaren, schrägen Mann, deutlich ausländerfeindlich konnotiert: "Wat is dat denn für ne Haback?" Zum bilbischen Propheten Habakuk; in den rheinischen Mundarten kennt man den "schmierigen Habakuk"; das Wort scheint seit den 70ern aus der Umgangssprache zu verschwinden, in Köln ist es allerdings noch als abwertende Bezeichnung gebräuchlich.

haben

Erklärung

'nehmen, bekommen': "Kann ich dat haben? Ich kann dat nich haben, wenn die Mütter ihre Kinder anschreien. Ich kann dat ga nich haben, wenn der mit der Kreide aufer Tafel so quietscht. (nicht leiden, ertragen können). Die Alte hab ich auch schon mal gehabt (als Sexualpartnerin gehabt)."

"sie noch alle haben" 'nicht ganz bei Trost sein, verrückt sein': "Ey, hasse se noch alle! Der hat se doch nich alle! Hasse wat? (krank sein, traurig, beleidigt...)"

"sich haben" in der Wendung "damit hadet sich" 'Schluss sein mit': "So, jetz krissde noch ein Eis, aber damit hadet sich dann auch!"

"sich mit etwas haben" (nur in der 3. Person Sing. gebräuchlich) 'auf etwas sehr achten, mit etwas sehr eigen sein': "Zieh bei Tante Marta bloss die Schuhe aus, die hat sich doch so mit ihrem Parkett!"

"es haben an/mit": "De hat et an de Nieren" 'nierenkrank sein'. "Die haddet aber auch immer mitte Blase."

Es gibt auch die Wendung "etwas nich haben können", zum Beispiel: "Ich kann dat nich haben." 'ich mag das nicht, ich kann das nicht leiden, ich ertrage es nicht.' "Tu der Tante der Kuchen aba schöön akeraat auf der Teller un bloß nich umkippen, du weiß, die kann dat nich haben."

"einhaben" 'gleichziehen, einholen': "Wenn ich schnell genuch renn, dann hab ich dich an der Ecke schon ein. Noch hundert Mark, un ich hab dich ein."

Siehe auch "abkönnen".

Hachels

Erklärung

(nur Plural) '(faule oder schlechte) Zähne': "Hasse dem seine Hachels gesehen? Und mit sowat is der inne Politik!" "Hachels" sind wohl nur im nördlichen Ruhrgebiet verbreitet.

Text

Die meisten Menschen sprechen im Alltag kein gestochenes Hochdeutsch, sondern eine mehr oder weniger ausgeprägte Umgangssprache, auch Regiolekt genannt. Sie kann durchaus noch nahe an der Standardsprache sein, oder auch erkennbare dialektale Einflüsse haben. Immer ist sie aber deutlich von der Hochsprache unterschieden, die man in der Regel nur in ganz bestimmten Situationen, etwa in der Schule oder beim Bewerbungsgespräch spricht.

Das ist im Rheinland nicht anders als in Bayern oder Berlin, auch wenn der Abstand zur Standardsprache jeweils größer oder kleiner ist. Auch in Aachen, Köln, Duisburg oder Kleve spricht man ein rheinisch gefärbtes Deutsch, das ein für Außenstehende deutlich erkennbares Identifikationsmerkmal ist. Nur ist die Umgangssprache, anders als die Hochsprache, keine geschriebene Sprache.

Das Problem ist: Über die Standardsprache kann man sich in vielfältigen Wörterbüchern informieren, die alle aus den Werken berühmter Dichter:innen, aus Tageszeitungen oder Zeitschriften kompiliert sind. Umgangssprachliche Wörterbücher dagegen sind sehr selten, denn hier kann man keine schriftlichen Quellen auswerten, sondern ist auf die Sprecher:innen selbst angewiesen. Kein Wunder, dass zum Beispiel alle großen regionalen Dialektwörterbücher wie das Rheinische oder Pfälzische, mehrere Jahrzehnte bis zu ihrer Vollendung gebraucht haben, weil man auf mühselige und aufwendige Fragebogenerhebungen angewiesen war.

Um dies zu ändern, hat sich der ehemalige LVR-ILR Sprachwissenschaftler Peter Honnen Anfang der 2000er Jahre etwas ausgedacht: das Rheinische Mitmachwörterbuch. Die Idee: Mithilfe des Internets sollten die Sprecher:innen mit ihm zusammen ein Wörterbuch der rheinischen Umgangssprache erstellen. Von 2007 bis 2019 konnten Wortvorschläge, am besten mit Bedeutungsangabe und Beispielsatz, auf der Homepage eintragen werden, diese wurden dann umgehend von Peter Honnen gesichtet und veröffentlicht. Zu bestehenden Worteinträgen konnten dann in Kommentaren Informationen ergänzt werden, so war es zum Beispiel von großem Interesse, an welchen Orten überall ein bestimmtes Wort bekannt ist. So ist über die Jahre ein stattliches Wörterbuch herangewachsen: Etwa 4.500 Wörter sind darin nun verzeichnet. Eine solch umfangreiche Dokumentation des alltagssprachlichen Wortschatzes einer Region, die auch noch von den Sprecher:innen selbst angefertigt wurde, ist einmalig im deutschen Sprachraum. Wir danken allen Beitragenden, die über die Jahre das Projekt unterstützt und bereichert haben und freuen uns, dass der Wortschatz der rheinischen Umgangssprache in diesem Online-Wörterbuch nun hervorragend dokumentiert und für jede:n zugänglich ist!