Wie wird gesprochene Sprache geschrieben?

Text

Vermutlich sind Ihnen die „seltsamen“ Buchstaben aufgefallen, die auf manchen unserer Seiten im Hintergrund prangen. Dabei handelt es sich um sogenannte Lautzeichen. Wir erklären hier, was sie bedeuten und wie sie ausgesprochen werden.

ɔ        kurzes offenes o, wie in standarddeutsch hoffen, oft oder Post und
          regiolektal Oschi, Klompen oder Trottewar
a:
       langes a, wie in standardsprachlich Tat, Saal oder Bahn und dialektal
          maken oder parat
ŋ
        ng-Laut, wie in standarddeutsch Ring, lang oder jung und
          dialektal Rhing, Sunnesching oder hinger
Ɛ
        kurzes, offenes e, wie in standarddeutsch Bett, nett und Hälfte oder
           wie in dialektal Ketsch, Schottelschlett oder Bändel
œ
       kurzes, offenes ö, wie in standarddeutsch Götter, Löffel und Hölle
         
oder regiolektal beömmeln, Blötsche und döppen
ʁ
        im Rachen gebildeter Reibelaut, wie in standarddeutsch Rand, rot
         
oder Reise sowie regiolektal Brassel, frickeln, frackig
ɕ
        Laut zwischen <ch> in ich und <ʃ> in Fisch, einem der markantesten
           Merkmale der gesprochenen Sprache im Rheinischen

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Schaufenster eines Ladens mit dem Namen Ming Brill
Bildunterschrift
Versuch der Verschriftlichung der "rheinischen Velarisierung" in Köln | © Charlotte Rein, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte

Die Laute einer Sprache fallen uns zumeist gar nicht auf: Wir sagen oder hören Worte, Sätze oder Texte, ohne uns viele Gedanken über die einzelnen Laute zu machen, aus denen sich das Gesagte oder Gehörte zusammensetzt. Erst, wenn wir auf Unerwartetes stoßen, wird uns diese Seite der Sprache bewusst. Das kann der Fall sein, wenn wir eine Fremdsprache erlernen und merken, dass es dort andere Laute als in der eigenen Sprache gibt oder aber, wenn man selbst versucht, einzelne Wörter oder Texte lautsprachlich zu verschriftlichen. Denn dann wird schnell deutlich, dass die Laute, die wir produzieren oder hören, sich mit den wenigen Buchstaben unseres Alphabets nicht immer eindeutig abbilden lassen: Zum einen können etwa mehrere Buchstaben für einen Laut stehen, wie die Buchstabenkombination sch im Wort Asche. Auch die Art des Lautes lässt sich nicht eindeutig aus unseren Schriftzeichen ablesen; in den Wörtern Esel, allein und lieber wird das e je nach Lautumgebung anders ausgesprochen – ein und dasselbe Schriftzeichen repräsentiert hier verschiedene Laute. Und zugleich kann auch ein einziger Laut durch verschiedene Schriftzeichen repräsentiert werden – in den Wörtern Vater, Fang und Pharao etwa werden alle Anlaute als [f] gesprochen, aber durch unterschiedliche Schriftzeichen abgebildet.

Damit ist schnell klar: Buchstaben können Laute nicht eindeutig abbilden, denn die Schriftzeichen einer Sprache entsprechen nicht den gehörten oder gesprochenen Lauten dieser Sprache, sondern abstrakteren Einheiten, die in der Sprachwissenschaft Phoneme genannt werden. Da unsere lateinischen Schriftzeichen nicht ausreichen, um diese Laute differenziert und umfangreich darzustellen, ist ein erweitertes Verschriftungs- oder Transkriptionssystem notwendig, das sogenannte phonetische Alphabet, das jeden möglichen Laut eins zu eins auf ein einziges Schriftsymbol abbildet. Dieses Inventar an Lautsymbolen wurde 1886 durch die Association Phonétique Internationale erstellt und ist heute meist unter dem Namen International Phonetic Alphabet, kurz IPA, bekannt und findet weltweit Anwendung, nicht nur in der Sprachwissenschaft, sondern auch in allgemeinen Wörterbücher und in Schulbüchern.

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Lautzeichen der deutschen Sprache in Tabelle
Bildunterschrift
IPA-Übersicht für die deutsche Sprache | aus: Bußmann 2008