Wenn man nicht über die eigene Arbeit reden kann
Teil des Volontariats im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte ist die selbstständige Erarbeitung, Planung und Durchführung zweier eigener Projekte. Jedes Projekt bringt dabei seine ganz individuellen Herausforderungen mit sich. Der Vorteil ist, dass man zu jeder Zeit in einem Team arbeitet und sich immer vertrauensvoll an die Kolleg:innen wenden kann, die bereits länger im Geschäft sind und mit wertvollen Erfahrungswerten aufwarten können.
Schwierig wird es nur, wenn man das plötzlich nicht mehr kann.
In gewissen Forschungsformaten ist es wichtig, dass Außenstehende nicht wissen, was untersucht wird. Insbesondere ist das oft der Fall bei wissenschaftlichen Studien. Vor allem aus der Medizin kennen wir diese Art von Untersuchungen, bei denen Teilnehmer:innen mindestens eine Sache nicht wissen – zum Beispiel, ob sie das Placebo bekommen haben, oder das wirkliche Medikament.
Aber nicht nur in der Medizin sind Studien mit Teilnehmer:innen üblich, die nicht alle Hintergründe zur Studie kennen – auch in der Sprachforschung wird oftmals so verfahren. Mithilfe von wissenschaftlichen Experimenten sind Sprachforscher:innen in der Lage, Aussagen über verschiedenste Bereiche des menschlichen Sprachapparates zu machen. So können wir herausfinden, wie Sprachen überhaupt erlernt werden, was ungewöhnliche Satzstrukturen in unserem Gehirn auslösen oder, was wir mit bestimmten Wörtern assoziieren. Und in den meisten Fällen wird dabei nicht kommuniziert, was der eigentliche Untersuchungsgegenstand ist.
Aber warum eigentlich? Ist das etwas Geheimes?
Ja, und Nein. Sie kennen es vermutlich selbst: Wenn man Ihnen sagt, dass Sie in den nächsten fünf Minuten unter gar keinen Umständen an einen rosa Elefanten mit weißen Punkten denken sollen –denken Sie mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten fünf Minuten an einen rosa Elefanten mit weißen Punkten. Oder wenn ich Ihnen sage, dass Sie das Wort Serviette auf eine super spannende Art und Weise aussprechen – werden Sie werden Sie vermutlich zukünftig sehr bedacht oder gar gehemmt bei der Aussprache des Wortes sein.
Sobald wir nämlich wissen, dass wir etwas machen (oder etwas nicht machen), achten wir plötzlich darauf. Es reicht bereits, einfach nur von der Möglichkeit zu wissen, dass etwas gemacht werden könnte. Selbst wenn wir von uns selbst wissen, dass wir diese eine bestimmte Sache nicht tun, ist das Bewusstsein dafür, dass diese Sache Untersuchungsgegenstand der Studie ist, ausreichend, um uns zu beeinflussen. Es ist keine spontane, authentische Reaktion, keine authentische Äußerung mehr, die wir tätigen – und damit für viele Studien ungeeignet.
Natürlich gibt es Untersuchungen, bei denen es nichts ausmacht, wenn man weiß, was untersucht wird. Andere Studien haben hingegen zwei Gruppen, eine „uneingeweihte“ und eine „aufgeklärte“, um vergleichen zu können, ob das Wissen um den Studieninhalt Einfluss auf die Ergebnisse hat – und, falls ja, welchen.
Aber nicht jede Studie verfügt über eine entsprechende Kapazität, sodass man den Testpersonen in diesen Fällen den Untersuchungsgegenstand nicht verrät.
Eine aussagekräftige Anzahl geeigneter Studienteilnehmer:innen ist oftmals schwer zusammenzubekommen. Wenn potentielle Kandidat:innen aus dem direkten Umfeld kommen, kann und möchte man mit diesen nicht über die eigene Arbeit reden – um sie für die Studie nicht auszuschließen.
Somit schränkt sich der Kreis der Leute, die man in die laufende Tätigkeit einweihen kann, drastisch. Den Überblick zu behalten, wer wie viel weiß und wie viel überhaupt wissen darf, ist ebenfalls nicht gerade einfach.
Trotzdem macht die Arbeit viel Spaß. Und auch einen Austausch kann es geben. Nur ist dieser einfach ein bisschen anders, ein bisschen mysteriöser, ein bisschen versteckter. Und das kann durchaus interessant sein. Insbesondere, wenn man schließlich – endlich – die anderen darüber aufklären kann, was denn eigentlich der Untersuchungsgegenstand war.