Wie der „Pott“ zu Facebook kam

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Die sozialen Medien Facebook, Instagram und Co. sind eine Fundgrube für geschriebene, regionale Sprache. Denn im Vergleich zur „offiziellen“ Schriftlichkeit, wie wir sie zumeist in Zeitungen und Büchern lesen, aber auch selbst in vielen (geschäftlichen) Briefen und Mails schreiben, steht die hier genutzte Schriftsprache der gesprochenen Sprache näher. Das liegt an der Interaktivität dieser Art von Schriftlichkeit: Die einzelnen Beiträge sind aufeinander bezogen, durch schnelles Antworten entsteht eine zeitweise direkte Dialogizität. Hierdurch gewinnt das Schreiben eine „Sozialdimension“: „Schriftlichkeit wird in besonderer Weise zum Medium der Beziehungsgestaltung und der Gruppenkonstitution“ (Tophinke 2008, S. 153). Diese Sozialdimension führt dazu, dass zum Beispiel zur Herstellung von Gemeinschaft und Identität, aber auch zur Positionierung und zur Kennzeichnung von Informalität, dialektale und regiolektale Lautvarianten und Wörter verwendet werden.

Dies wird auch in regionalen und lokalen Facebook-Gruppen (FB) deutlich, zum Beispiel in den Bonner Gruppen „Free Your Stuff Bonn“ und „Support Your Local Business – Bonn“, aus denen die beiden hier vorgestellten Beiträge stammen.

„Free Your Stuff Bonn“ ist eine FB-Gruppe, in der Menschen aus Bonn und Umgebung Kleidung, Haushaltsartikel und vieles mehr verschenken oder suchen. So möchte ein:e User:in ihre Blumentopf-Sammlung verkleinern und schreibt: „GIVE: Blumenpötte, am liebsten alle zusammen ohne den Eimer. […].“ Blickt man mit einer „dudendeutschen“ Sicht auf diesen Text, fällt das Wort Blumenpötte ins Auge. Zwar ist das Wort Pott im Duden verzeichnet, aber mit dem Hinweis umgangssprachlich versehen, also als Wort gekennzeichnet, das üblicherweise nicht in der Schriftsprache verwendet wird. Schlägt man das Wort im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) nach, bekommt man einen Hinweis darauf, warum die Blumenpötte gerade in einer rheinischen FB-Gruppe auftauchen: „Pott m. ‚Topf‘, aus dem Rhein[ischen] bzw. N[ieder]d[eutschen]“ (vgl. DWDS).

Die genaue Herkunft des Wortes ist nicht endgültig geklärt, was wohl (auch) seinem hohen Alter geschuldet ist; allgemein wird eine vorlateinische Wurzel zum Stamm *pott angenommen (Honnen 2018, S. 436). Auf jeden Fall ist es in vielen weiteren indogermanischen Sprachen wie Lateinisch, (Alt-)Englisch, (Alt-)Französisch und (Mittel-)Niederländisch bekannt. Interessant ist nun, dass im Deutschen Pott gerade in schriftlichen Quellen aus Köln und dem Rheinland bereits seit dem 12. Jahrhundert auftaucht. Spätestens seit dieser Zeit ist es also in den Dialekten des Rheinlands als Wort für ‚Topf‘ verankert und wie das FB-Beispiel zeigt, ist ihm auch der „Sprung“ in die regionale Standardsprache gelungen. Dass es hier verwendet wurde, liegt wohl (auch) an der lokalen Ausrichtung der Gruppe: Der/die Schreiber:in konnte davon ausgehen, dass viele der Mitglieder ebenfalls aus dem Bonner Raum kommen und mit der regionalen Sprache vertraut sind (und falls das in Einzelfällen nicht zutrifft, hilft natürlich das Foto) und möchte sich vielleicht durch die Verwendung des Worte als „ein:e von ihnen“ darstellen. In einer überregional ausgerichteten Gruppe wäre womöglich eher das standarddeutsche Wort Blumentöpfe gewählt worden.

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Screenshot aus einer Facebookgruppe
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Beleg für "Pott" aus einer Bonner Facebook-Gruppe

Auch im zweiten Beispiel dreht sich alles um den Pott. Die FB-Gruppe „Support Your Local Business - Bonn“ wurde während der Corona-Pandemie gegründet, um Aktivitäten wie Außer-Haus-Verkaufe u.ä. von Geschäften, Cafés und Restaurants in Bonn und Umgebung bekannt zu machen. Im Frühsommer 2022 postete das „Back Office Bonn“: „Der Sommer kommt ja noch nicht so richtig „in die Pötte“. […]“. Der Redewendung mit der Bedeutung ‚in Bewegung kommen, an Geschwindigkeit gewinnen; lebhafter, schwungvoller, dynamischer werden; sich entwickeln, entfalten‘ (vgl. DWDS) liegt ebenfalls das Wort Pott zugrunde, die Beispiele im DWDS lassen allerdings darauf schließen, dass ihr Gebrauch regional weiterverbreitet ist, als der von Pott. Die Belege für jmd. kommt in die Pötte und etw. kommt in die Pötte stammen aus Zeitungen wie dem Hamburger Abendblatt, dem Münchner Merkur, der Saarbrücker Zeitung, der Rhein-Zeitung und der Berliner Morgenpost. Ob sie in diesen Regionen genauso häufig verwendet wird wie im Rheinland, kann aus den vorliegenden Daten nicht erschlossen werden. Dass die Redewendung aber nicht standardsprachlich ist, sondern (regionale) Umgangssprache, ist dem/der Schreiber:in bewusst: Sie wird mittels Anführungszeichen vom umgebenden Text abgehoben. Eine mögliche Funktion könnte hier der Aufbau von Nähe zu den Lesenden (und damit zur potentiellen Kundschaft sein), aber auch eine regionale Positionierung und Identifikation ganz im Sinne des Gruppennamens „Support Your Local Business“.

Über den Ursprung der Redewendung wird bis heute nur gemutmaßt, eine beliebte Erklärung in Internetquellen führt sie darauf zurück, dass jemand, der auf dem Nachttopf, dem Nachtpott, seine Verrichtung erledigt hat (und das möglicherweise noch vor anderen Mitnutzern), zu Potte gekommen war. Ob diese lustige Wortlegende zutrifft, bleibt zu überprüfen…

Weitere Beispiele zur Verwendung von regionaler Sprache in Facebook-Posts gibt‘s im Artikel über zusammengezogene Wörter, zur rheinischen Verlaufsform oder zum possessiven Dativ.

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Screenshot aus einer Facebookgruppe
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Beleg für die "in die Pötte kommen" aus einer Bonner Facebook-Gruppe