„Dat Portal“ op Jück: Hamburg

Text

Das lange Wochenende über Christi Himmelfahrt nutzte ich in diesem Jahr für einen Verwandtschaftsbesuch in Hamburg. Bei typischem Hamburger Schmuddelwedda (im Rheinland würde wir sagen „et war usselig“) schlenderten wir durch die Stadt – dank vieler netter Cafés war ein Aufwärmen aber jederzeit möglich. Dialekt gehört habe ich allerdings weder dort noch auf der Straße, was auch nicht weiter verwunderlich ist: Der Hamburger Stadtdialekt wird nach einer Umfrage aus dem Jahr 2016 nur noch von ca. 10 % der dort lebenden Menschen sehr gut bzw. gut gesprochen (Adler et al. 2016, S. 15).

Dennoch ist die Mundart im Stadtbild sichtbar, bedingt durch eine zunehmend positive Bewertung durch die Bevölkerung in den letzten Jahren. Diese führt dazu, dass immer häufiger in der Öffentlichkeit (Werbung, Benennungen, Merchandise) niederdeutsche Wörter verwendet und so zur Konstruktion einer regionalen Identität genutzt werden (Jürgens 2016; dieser Trend ist ebenso in anderen Städten und Regionen Deutschlands, insbesondere auch in Köln, zu bemerken). Diese Beobachtung habe auch ich machen können:

Bild
eingebrannter Text auf einer Holzplatte www.lüttlecker.de
Bildunterschrift
Große Fischbrötchen bei "Lütt & Lecker" | © Charlotte Rein, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte

Bei „Lütt & Lecker“ (https://www.luettlecker.de/) am Fischmarkt gab’s (wie bei Name und Standort nicht anders zu erwarten) gute Fischbrötchen, mit denen man sich hervorragend für den weiteren Stadtbummel stärken konnte. Lütt waren die Brötchen allerdings nicht (wohl aber der Laden, in dem sie verkauft werden): Es bedeutet klein in den nordniederdeutschen Dialekten, zu denen auch der Stadtdialekt Hamburgs gehört. Das Wort war als lützel bzw. lütte im Mittelalter noch im gesamten deutschen Sprachraum zu hören, heute ist es nur in den nördlichsten Dialekten des Landes erhalten geblieben (dwds.de).

Es geht kulinarisch weiter: „Brot und Stulle“ ist eine Bäckerei mit zwei Filialen in Hamburg. Durch „Regionalität und Ursprünglichkeit: Frische Brote, direkt vor Ort gebacken, mit einer krossen Kruste, saftigem Teig und hochwertigen Belegen ohne Chichi“ (https://www.brotundstulle.de/) soll sich das Angebot von dem der Konkurrenz abheben. Das Stichwort „Regionalität“ kommt auch beim Namen ins Spiel: Als Stulle wird in ganz Norddeutschland eine belegte/bestrichene, eventuell zusammengeklappte Scheibe Brot bezeichnet (im Rheinland würde man dazu z.B. Bütterken, Butter, Dubbel oder Botteram sagen, mehr dazu gibt’s hier). Das Wort wurde durch niederländische Siedler ins deutsche Sprachgebiet gebracht und geht zurück auf niederländisch stul ‚Kloß Butter, Brocken, Stück, Lappen, Torfklumpen‘ (dwds.de).

Bild
Aufschrift Brot und Stulle auf einer Holzwand
Bildunterschrift
Belegte Brote bei "Brot und Stulle" in Ottensen | © Charlotte Rein, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte

Auch bei „De Köök“ wird Regionalität großgeschrieben, wie auf der Homepage des Koch- und Lieferservices für den Schul- und Kitabereich nachzulesen ist . Köök bedeutet natürlich „Küche“ im Niederdeutschen. An diesen beiden Varianten kann man sehr gut einen grundlegenden Unterschied zwischen den mittel- und hochdeutschen Dialekten südlich und den niederdeutschen Dialekten nördlich der Benrather Linie erkennen. Im Süden wurde während der Zweiten Lautverschiebung der Laut k im In- und Auslaut zu ch verschoben: germ. *makōn > hd. mache, nd. make, spätgriech. kȳrikón (κυρικόν) > hd. Kirch, nd. Kerk. Die gleiche Systematik ist auch bei den Lauten pf und tz zu erkennen: PiepPief ‚Pfeife‘, lopelofe ‚laufen‘, tweezwei ‚zwei‘, WaterWasser 'Wasser'. Diesbezüglich teilt der Hamburger Dialekt daher viele Eigenschaften mit denen im Norden des Rheinlands (Südniederfränkisch, Kleverländisch).

Das war's aus dem hohen Norden - bis zum nächsten Mal bei "Dat Portal" op Jück!

Bild
Auto mit einem Werbeaufkleber für De Köök
Bildunterschrift
Ein Cateringservice mit regionalem (Sprach-)Schwerpunkt | © Charlotte Rein, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte