„Am Büdchen krichse alles!“

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Ob ein Bier, eine Tüte Süßes oder die Tageszeitung – am Büdchen krichse alles. Kioske, oder Buden und Trinkhallen, wie sie im Rheinland üblicherweise genannt werden, sind wichtige Orte, um Lebensmittel zu besorgen, aber auch um ein Quätschchen (eine ‚Plauderei‘ laut dem Trinkhallen-Wiki) zu halten. Am 6. August feiert man diese besondere Verkaufsstelle im Ruhrgebiet mit dem Tag der Trinkhalle, und wir werfen einen linguistischen Blick auf die verschiedenen Bezeichnungen, die im Rheinland üblich sind.

Das Wort Kiosk ist zwar fest in den deutschen Sprachgebrauch integriert, mutet auf den zweiten Blick aber sehr fremdartig an: io ist keine typisch deutsche Kombination von Vokalen, sk trifft man im Rheinland zwar häufiger an (man denke an die zahlreichen Diminutive wie Bömsken, Stängske, Äugsken, Hüsken etc.), aber eher nicht am Wortende. Woher kommt das Wort also?

Kiosk hat eine weite Reise zurückgelegt: Im 18. Jahrhundert wurde es aus dem Französischen (kiosque) entlehnt und bedeutete ursprünglich ‚Gartenpavillion‘. Im 19. Jahrhundert verschob sich die Bedeutung zu ‚Verkaufsbude‘. Ins Französische gelangte das Wort aus dem Italienischen (chiosco), das wiederum vom türkischen kyöšk abstammt. Dieses geht auf das persische gōše ‚Winkel, Ecke‘ zurück.

Die Herkunft von Bude kann bis ins Indoeuropäische zurückverfolgt werden: Aus der Wurzel *bheu-, *bheu̯ə-, die ‚bauen‘ bedeutet, leitet sich germanisch *bōdō- ‚Hütte, Holzhaus, Zelt‘ ab. Im Mittelniederdeutschen ist die Form bōde belegt und im Mittelhochdeutschen buode, woraus sich das standarddeutsche Bude entwickelte. Im Rheinland ist Büdchen – wie im überregional bekannten Bundesbüdchen – gebräuchlich, auch mit rheinischer Diminutivendung -ken in der Form Büdeken. Da man in so ziemlich jeder Bude Süßigkeiten kaufen kann, nennt man sie auch Klüm(p)kesbude. Und die Stamm-Trinkhalle, in der man immer „kleben“ bleibt, wenn man zufällig vorbeikommt, ist die Patex-Bude.

Anders als ein Kiosk oder ein Büdchen scheint eine Trinkhalle größere Ausmaße zu haben. Tatsächlich bezeichnet das Wort Halle auch historisch betrachtet immer ein weitläufiger, oft an den Seiten offener Raum. Wie kommt es nun, dass wir eine kleine Verkaufsbude als Halle bezeichnen? Belegt ist die Herkunft des Wortes nicht, doch die Entstehungsgeschichte der Trinkhallen gibt vielleicht Aufschluss:

Da das Leitungswasser im Ruhrgebiet in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert so stark mit Schadstoffen belastet war, dass es untrinkbar geworden war, griffen die Arbeiter stattdessen zur Bier- oder Schnapsflasche – der Konsum von Alkohol wurde von den Arbeitgebern durch sogenannte „Schnapsspenden“ sogar finanziell unterstützt. Dies hatte natürlich zur Folge, dass zahlreiche Arbeiter alkoholabhängig wurden, daher eröffnete man auf dem Fabrikgelände kleine Verkaufsstände, an denen alkoholfreie Getränke wie Mineralwasser und Milch angeboten wurden. Möglich ist daher, dass die Arbeiter, die ja den ganzen Tag in Hallen arbeiteten, auch diesen Getränkeständen den Namen Halle verpassten.

Als Trinkhalle bezeichnet man allerdings auch den Ort in einem Heilbad, an dem man Heilwasser trinken und abfüllen darf. Möglicherweise wurde auch dieser Begriff zunächst scherzhaft für die Verkaufsstände verwendet und hat sich nach und nach eingebürgert.

Mehr zu Trinkhallen erfahren Sie morgen auf der Homepage des Teams Alltagskulturen im Rheinland.

Bild
Das Foto zeigt einen Kiosk in einem Wohngebiet.
Bildunterschrift
'n Büdchen in Köln-Nippes. | © Gabriele Dafft, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte