"einen Lattenschuss haben"

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Im Herbst 2019 fragte das LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte (ILR) mithilfe eines Fragebogens nach der Bekanntheit und Verbreitung einzelner Redewendung in den Landkreisen und Städten des Rheinlandes und des Ruhrgebietes. Unter anderen fand sich dort auch die Wendung einen Lattenschuss haben, die überall im Erhebungsgebiet mit der Bedeutung ‚verwirrt, bescheuert sein‘ bekannt ist: Du hass wohl en Lattenschuss, hier so rumzugrölen. Der Jupp hat doch en dicken Lattenschuss. (Wörterbuch der rheinischen Alltagssprache).

Die Auswertung der Umfrage zeigt, dass die Redewendung in allen Regionen des Rheinlandes und des Ruhrgebietes etwa gleich bekannt ist. So gaben sowohl Personen am Niederrhein als auch am Selfkant, im Bergischen Land, im zentralen Rheinland und in den Städten und Kreisen des Ruhrgebietes an, dass sie die Wendung kennen. Allerdings zeigt sich ein Unterschied bei der Verwendung in der Alltagssprache: Während am Nordniederrhein (oberhalb der Uerdinger Linie) und im Gebiet des Regionalverbandes Ruhr etwa 45% oder mehr der jeweiligen Gewährspersonen angaben, die Wendung auch zu verwenden, lag diese Zahl im Ripuarischen (südlich der Benrather Linie bis etwa zur Grenze von Rheinland-Pfalz) sowie im Südniederrheinischen (gelegen zwischen Uerdinger und Benrather Linie) niedriger.

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Ob die Latte des Tores als Grundlage der Wendung dient? | © Josue007, CC BY-SA 3.0
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Ob die Latte des Tores als Grundlage der Wendung dient? | © Josue007, CC BY-SA 3.0

Neben dem Wohnort der Gewährspersonen wurde in der Erhebung auch nach dem Geburtsjahr gefragt, um zu untersuchen, welchen Einfluss das Alter der Personen auf die Kenntnis der abgefragten Wendungen hat. Für einen Lattenschuss haben zeigt sich etwa, dass Gewährspersonen der Altersgruppe 1 (vor 1945 geboren) seltener angaben, die Wendung zu kennen als Teilnehmende aller anderen Altersgruppen. Bei den ältesten an der Erhebung Beteiligten meldeten fast 35%, dass ihnen die Redewendung unbekannt ist, in den drei anderen Altersgruppen gaben dies nur zwischen sieben und zwölf Prozent an. Auch hinsichtlich der Verwendung im Alltag zeigt sich ein deutlicher Unterschied: Während Teilnehmende der Altersgruppe 2 (1946-1965), Altersgruppe 3 (1966-1987) und Altersgruppe 4 (1988-2009) meldeten, die Wendung häufig zu nutzen (zwischen 37% und 47%) galt dies nur für etwa 18% der Gewährspersonen aus Altersgruppe 1. Je jünger also die Gewährspersonen, desto höher liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Wendung kennen und in ihrer Alltagssprache verwenden.

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Bekanntheit und Verwendung nach Alter der Gewährspersonen | © Sarah Puckert, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY-SA 4.0
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Bekanntheit und Verwendung nach Alter der Gewährspersonen | © Sarah Puckert, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY-SA 4.0

Die Herkunft und der Ursprung der Bedeutung einen Lattenschuss haben ist nicht geklärt. In einschlägigen Werken findet sich kein Eintrag zur Erläuterung der Wendung, im Internet hingegen kursieren unterschiedliche Erklärungen, keine davon scheint aber überzeugend zu sein.
Die Befragten wurden bei der Erhebung des ILR neben Angaben zu Kenntnis und Gebrauch von einzelnen Wendungen auch darum gebeten, weitere Redewendungen mit der Bedeutung ‚verwirrt, bescheuert sein‘ anzugeben. Besonders häufig meldeten sie dabei sowohl Varianten wie einen Knall/Sockenschuss/an der Klatsche haben als auch nicht alle Tassen im Schrank oder nicht alle Latten am Zaun haben. Oftmals wurde auch den Schuss nicht gehört genannt, ebenso wie vereinzelt dialektale Formen wie beispielsweise däe es neet janz jaar ‚der ist nicht ganz gar‘ oder Der hätt ene Koppschoss! ‚Der hat einen Kopfschuss!‘