Günter Hochgürtel

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An einem kalten, aber schon frühlingshaften Februarmorgen fahre ich von Bonn in die Eifel. Auf der A1 immer gen Südwesten, fast bis zum Ende der Autobahn. Dort liegt idyllisch am Flüsschen Urft der Ort Nettersheim. Hier bin ich mit Günter Hochgürtel verabredet, Sänger, Gitarrist, Mundartliebhaber, Eifeler. Er hat mich zu sich nach Hause eingeladen. Dort angekommen, nimmt er mich gut gelaunt in Empfang und ich darf mich im gemütlichen Wohn- und Esszimmer direkt am Ofen niederlassen. Ein guter Platz, ist’s in der Eifel doch noch etwas frischer als in der Rheinebene. Bei einer Kanne Kaffee kommen wir dann schnell ins Gespräch, Günter Hochgürtel erzählt gerne und hat – nach gut vierzig aktiven Jahren als Musiker – auch viele spannende Geschichten parat. Beziehungsweise Krätzjer, wie der Eifeler sagen würde.

Seine Liebe zur Musik entdeckt Günter Hochgürtel früh, bereits mit 15 Jahren schreibt er seine ersten Lieder. Zuerst auf Englisch, wie man das als Jugendlicher ebenso macht, den dritten Song dann aber bereits auf Deutsch. Mit 19 Jahren spielt er mit seinem Bruder in einer Tanzkappelle, hauptsächlich Cover-Songs. Er selbst hätte lieber französische Chansons gespielt, doch die treffen beim Eifeler Publikum auf wenig Begeisterung. Trotzdem steht für den jungen Künstler fest: Er will Chansonier werden, mit seinen Liedern Geschichten erzählen. Aus dem deutschsprachigen Raum sind es zu dieser Zeit vor allem die Kölner „Bläck Fööss“, die Günter Hochgürtel als Vorbild sieht. Denn er will in der Eifel bleiben, dort Musik machen, aber eben keine Tanzmusik. Eine Mundartband hingegen, das könnte funktionieren. 

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Der Eifel-Troubadour mit seiner Gitarre | © Franz Küpper
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Der Eifel-Troubadour mit seiner Gitarre | © Franz Küpper

Wibbelstetz

1984 präsentiert er seine ersten selbstgeschriebenen Mundartlieder der Öffentlichkeit und die Band „Wibbelstetz“ (rhein. für ‚unruhiger Mensch, Zappelphilipp‘, übersetzt ‚Wackelschwanz‘) wird gegründet. Erst zu zweit, dann zu dritt, ab 1989 zu fünft reisen die jungen Männer durch die Eifel und spielen ihre Lieder. 1987 nehmen sie eine Kassette auf, 1989 produzieren sie gemeinsam mit den Bläck Fööss ihre erste richtige Single. In deren Studio nehmen sie 1990 auch ihre erste CD „Höngerm Bröddezong“ auf, die bis heute die meistverkaufte CD der Band ist. Bis Anfang der 2000er Jahre erscheint nun alle zwei bis drei Jahre eine neue CD – seit November 2024 gibt es nach längerer Pause ein neues Album, „Sujet von ejal“ heißt es. Die Texte und Songs schreibt Günter Hochgürtel selbst. Und das nicht nur für Wibbelstetz, sondern auch für Kölner Bands wie die „Höhner“ und die „Bläck Fööss“ kreiert der Liedermacher Songs. Die Unterschiede zwischen dem Eifler Platt und dem Dialekt der Domstadt sind dabei kleiner, als es manchmal den Anschein hat: Seine Texte müssen nur minimal angepasst werden. Dennoch mussten sich Wibbelstetz als Eifeler Band in der Großstadt erst einmal behaupten, sie wurden aufgrund ihrer Herkunft oft verspottet. Über die Jahre erarbeitet sich die Band eine gute Bekannt- und Beliebtheit in der Eifel; inzwischen haben sie wohl „an jeder Milchkanne gespielt“. Doch sie spielen nicht nur in der Heimatregion: Die weiteste Konzertreise führt sie 2003 bis in die USA, zum „German Heritage Festival“ in Kutztown/Pennsylvania. In diese Gegend waren im 19. und 20. Jahrhundert viele Menschen aus dem deutschsprachigen Raum ausgewandert. Um deren Leben und Traditionen in Erinnerung zu halten, werden auf dem Festival jährlich mehrere Tage lang alte Handwerke, typische Gerichte und die Sprache Pennsylvania Dutch präsentiert. Und es gibt zahlreiche Konzerte, auch von Bands aus Deutschland. Einer Einladung des LVR folgend spielen die fünf Musiker hier zweimal am Tag ihre Lieder im Eifeler Dialekt. Dieser wird zwar vor Ort nur von wenigen Menschen verstanden, nichtsdestotrotz wird die Band in Pennsylvania gefeiert wie sonst selten.

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Best of Wibbelstetz | © Günter Hochgürtel/Wibbelstetz
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Best of Wibbelstetz | © Günter Hochgürtel/Wibbelstetz

Der Eifel-Troubadour: Solo-Künstler

Seit Anfang der 2000er Jahre tritt der Eifel-Troubadour, wie Günter Hochgürtel inzwischen genannt wird, vermehrt auch als Solokünstler auf. Als solcher singt er auch die geliebten französischen Chansons, daneben auch einzelne englische und italienische Lieder. Doch die Mundartlieder sprechen die Menschen auf seinen Konzerten am intensivsten an, sagt er, „die gehen direkt ins Herz“. Auch für ihn hat das Eifeler Platt als Liedsprache Möglichkeiten, die über die des Hochdeutschen hinausgehen: „Du kannst mit dem Dialekt viel mehr Grautöne unterbringen, du hast ’ne größere Farbpalette als in der Hochsprache“. Sie bringt aber auch Nachteile mit sich. Außerhalb der Eifel werden die Texte oft nicht verstanden, weshalb die Ansagen auf seinen Konzerten alle auf Hochdeutsch sind – obwohl das Publikum überwiegend aus Dialektsprecher:innen besteht, die zumeist der älteren Generation angehören. Außerdem wird das Genre „Mundartmusik“ im Rheinland zu häufig auf die Karnevalszeit beschränkt. Außerhalb der fünften Jahreszeit spielen auch regionale Radiosender kaum Mundartlieder. Dass müsste sich ändern, zum einen, um die Bands zu unterstützen, so Günter Hochgürtel, zum anderen aber auch, um ein breiteres Publikum zu gewinnen. Denn sonst „sterben uns die Fans im wahrsten Sinne des Wortes weg“. Dass der Eifeler Dialekt bald der Vergangenheit angehört, möchte der Sänger verhindern und er arbeitet kontinuierlich an neuen Formaten, um seine Muttersprache möglichst vielen Menschen ins Gedächtnis und in die Ohren zu rufen. Eine große Kampagne dazu regte er Anfang der 2020er Jahre an.

Mundart-Initiative "Mir kalle Platt"

Die Idee hinter „Mir kalle Platt“ (‚Wir sprechen Platt‘): mit vielfältigen Mundart-Veranstaltungen einem breiten Publikum das Eifeler Platt näher zu bringen. Schnell begeistert der Eifel-Troubadour hierfür den Euskirchener Landrat Markus Ramers, ebenso seinen langjährigen Freund und Mundartautor Manfred „Manni“ Lang. 2022 geht die Initiative „Mir kalle Platt“ in die erste Runde, ausgeführt von der Nordeifel Tourismus GmbH. Neben Konzerten, Kabarett und Theater stehen auch eine Mundart-Wanderung und ein Mitsing-Nachmittag für Kinder auf dem Programm. Das Angebot wird von den Menschen in der Region begeistert angenommen, die Karten sind schnell ausverkauft. Gleiches gilt für das zweite Jahr, 2023 werden noch mehr Veranstaltungen (35) angeboten, erneut ist die Resonanz sehr positiv und die meisten Veranstaltungen sind ausverkauft. Das Festival soll nun alle zwei Jahre stattfinden, die Vorbereitungen für 2025 sind bereits angelaufen.

Die Eifel-Gäng

Mit Manni Lang teilt Günter Hochgürtel nicht nur die Liebe zur Mundart und das Engagement bei „Mir kalle Platt“, sondern seit vielen Jahren auch regelmäßig die Bühne. Gemeinsam mit dem Eifeler Krimiautor Ralf Kramp treten sie als die „Eifel-Gäng“ auf. „Einer singt, einer liest, einer trägt vor“, so das simple Motto der Gäng. Simpel, aber erfolgreich: Wohin die drei auch kommen, sie füllen die Eifeler Säle und bringen die Menschen mit ihren teils skurrilen Auftritten sehr zum Lachen.

Neben all den Aktivitäten übte Günter Hochgürtel gut vierzig Jahre lang noch einen „bürgerlichen“ Beruf aus. Auch in diesem war die Sprache sein Handwerkszeug und die Eifel sein Revier: Er war Redakteur in der Euskirchener Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dort wurde, zumindest von den „führenden“ Mitarbeitenden, im Arbeitsalltag viel Platt gesprochen, sowohl untereinander, als auch mit den Menschen, mit denen Günter Hochgürtel für Artikel und Interviews sprach. Dabei diente der Dialekt häufig als Türöffner, um leichter ins Gespräch zu kommen.