Dialektsprechen gestern und heute
Der Dialekt war noch im 19. Jahrhundert die im Alltag des Rheinlandes dominierende Sprachform. Damals gab es auch noch viele Menschen, die bis zum Eintritt in die Schule nur Platt sprachen: Platt war ihre eigentliche "Muttersprache". Der Dialekt diente der Identifikation und Abgrenzung. Dialekt = Heimatort: Dort, wo der eigene Dialekt gesprochen wurde, war man zu Hause. Die vielleicht nur kleinen Unterschiede zu den Dialekten der Nachbarorte markierten eine Grenze: Wer anders sprach, gehörte auch zu den Anderen.
Die Zahl der Dialektsprecher:innen ist heute stark gesunken. Die geringsten Dialektkenntnisse findet man in den Städten des Ruhrgebietes, in denen die Bevölkerungszahlen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geradezu explodiert sind. Das quantitative Verhältnis der – relativ wenigen – Einheimischen und der – vergleichsweise vielen – Zuziehenden machte den angestammten Dialekt innerhalb kürzester Zeit zu einer Minderheitensprache. Als neues Kommunikationsmedium des Alltags etablierte sich der Regiolekt. Vergleichsweise wenig Platt ist heute auch im Bergischen Land und am unteren Niederrhein zu hören. Anzunehmen ist, dass die Position des Dialektes in Köln und in der Eifel noch stabiler ist.
Die heutige Sprachsituation ist das Ergebnis eines Dialektschwundes großen Ausmaßes, der sich im Rheinland bereits im 19. Jahrhundert ankündigt hat und der dann im 20. Jahrhundert, besonders drastisch nach dem Zweiten Weltkrieg, zu beobachten ist. Faktoren, die zu dieser Entwicklung mit beigetragen haben, sind der starke Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen nach 1945, die enorme Mobilität der Bevölkerung heute und die Allgegenwart und die Bedeutung der Standardsprache für das moderne Leben.