Straelen

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Straelen (im Dialekt auch Strole oder Stroal/Stroel) liegt im Kreis Kleve am unteren Niederrhein an der niederländischen Grenze etwa auf Höhe von Venlo und gehört damit, ähnlich wie Emmerich am Rhein oder Schermbeck,  zum kleverländischen Sprachgebiet. Schon der Name der Stadt selbst ist auffällig, denn hier ist eine alte Schreibweise erhalten, die auch schnell zu Ausspracheunsicherheiten oder gar -schwierigkeiten führt, nämlich das e hinter dem a. Im Namen der Stadt Straelen zeigt dieses an, dass der vorhergehende Vokal lang ausgesprochen wird. Dehnungszeichen im Deutschen kennzeichnen generell systematisch Bedeutungsunterschiede. So macht es etwa einen Unterschied, ob ich von Wahl oder Wall rede, den oder denn nutzte. Heutzutage kennen wir im Standarddeutschen vor allem noch die Dehnungszeichen h (Wahl, Bahn, zehn), die Verdopplung von Vokalen (Aas, Moor, See) sowie e (Riese, Kies, mies). In den rheinischen Ortsnamen diente und dient das e auch hinter a als Längenzeichen, wie etwa in Baesweiler, Kevelaer oder eben Straelen (mehr zur Schreibung rheinischer Ortsnamen lesen Sie hier).

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Straelen | © Michielverbeek, CC BY-SA 3.0
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Straelen | © Michielverbeek, CC BY-SA 3.0

Der in Straelen gesprochene Dialekt lässt sich dem Kleverländischen zuordnen. Dies wird auch an mehreren Stellen auf dem Wenkerbogen deutlich, den Georg Wenker 1884/85 an Lehrer:innen in Deutschland verschickte, mit der Bitte, die dort angegebenen standarddeutschen Sätze in den Ortsdialekt zu übersetzen. Lautlich fällt hier etwa auf, dass die Zweite Lautverschiebung nicht durchgeführt wurde: p, t und k sind erhalten geblieben und nicht zu pf/f, ts/s und ch „verschoben“ worden. Das wird an Satz vier im Straelener Wenkerbogen gut deutlich: Dä guje alde Man es met ett Perd dorr ett Is gebroke onn in dat kalt Water gefalle. ‚Der gute alte Mann ist mit dem Pferd durch das Eis gebrochen und in das kalte Wasser gefallen.‘ Der Plosiv p ist auch in anderen Wörtern im Wenkerbogen für Straelen erhalten geblieben, so findet man dort etwa auch die Formen Päper ‚Pfeffer‘, Äppelkes ‚Äpfelchen‘ oder Pond ‚Pfund‘. k blieb dann zum Beispiel auch in Melk ‚Milch‘, koke ‚kochen‘, Wäke ‚Wochen‘ und Kokläpel ‚Kochlöffel‘ erhalten, t schließlich zudem in bäter ‚besser‘, Tijn ‚Zeiten‘ sowie twälf ‚zwölf‘. Ein anderes lautliches Phänomen, das sich im Straelener Dialekt durchgesetzt hat, ist die Neuhochdeutsche Diphthongierung: Aus den mittelhochdeutschen Wörtern bîl, îs, hûs und zît wurden aufgrund eines Lautwandels die uns heute bekannten Entsprechungen Beil, Eis, Haus und Zeit. Dieser Vorgang kann im Rheinland etwa ab dem 16. Jahrhundert beobachtet werden. Im Wenkerbogen für die Stadt im Kreis Kleve zeigt sich dies an folgenden Wörtern: Is ‚Eis‘, Wien ‚Wein‘, Für ‚Feuer‘, Bure ‚Bauer‘, Hus ‚Haus‘ – all diese Beispiele weisen noch die ehemaligen Einzellaute i, ü und u auf.

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Im Dialekt Straelens auch als „Kokläpel“ bekannt | © matthiasboeckel, Pixabay-Lizenz
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Im Dialekt Straelens auch als „Kokläpel“ bekannt | © matthiasboeckel, Pixabay-Lizenz

Auch eine grammatische Besonderheit des Straelener Dialektes zeigt sich auf dem Wenkerbogen der Stadt von 1884/85. Verkleinerungsformen (in der Sprachwissenschaft auch Diminutivbildungen) sind hier in der Form -ke oder -je belegt, in der Mehrzahl wird diesen zudem ein -s angehängt: Ogenblecksken, Stöckske sowie Appelebömkes, Äppelkes, Vögelkes oder Schöpkes sind einige Beispiele für dieses Phänomen. Hermann Josef Eicker gibt in seinem niederrheinischen Wörterbuch für Straelen zudem an, dass die Form des Genitivs nicht existiert, sondern jeweils mit van und dem Dativ angegeben wird; eine Konstruktion, die vor allem im Norden des Niederrheins typisch ist. Interessant ist auch die Verwendung der Personalpronomen im Wenkerbogen. Bei Dialekten oberhalb der Uerdinger Linie lautet das Pronomen der ersten Person Singular ek (mit unverschobenem k, gilt auch etwa für ook ‚auch‘), was sich in Satz 9 auf dem Wenkerbogen für Straelen zeigt: Eck benn bei de Frau gewäs, onn hebb ett örr gesag, onn se sei, se woll ett ok örr Dochter segge. ‚Ich bin bei der Frau gewesen und habe es ihr gesagt und sie sagte, sie wolle es auch ihrer Tochter sagen.‘ Auch die erste und zweite Person Mehrzahl klingen in der Straelener Mundart anders als etwa im ripuarischen Sprachgebiet und sind von den niederländischen Dialekten beeinflusst (lange Zeit war das Gebiet am unteren Niederrhein ja durch die niederländische Sprache beeinflusst). So lautet das Personalpronomen ‚wir‘ im Dialekt von Straelen etwa weij, ‚ihr‘ dann wiederum geij: 

Könnt geij niet noch enn Ogenblecksken opp oß wachte, dan gohn weij met au. (Wenkersatz 27)
‚Könnt ihr nicht noch ein Augenblickchen auf uns warten, dann gehen wir mit euch.‘

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Im Straelener Dialekt sind diese Tiere auch als Schöpkes bekannt | © analogicus, Pixabay-Lizenz
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Im Straelener Dialekt sind diese Tiere auch als Schöpkes bekannt | © analogicus, Pixabay-Lizenz