Grietherort & Grietherbusch

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Im Rahmen ihrer Magisterarbeit führte Elisabeth Peerenboom 1991 am unteren Niederrhein eine Untersuchung zum Sprachgebrauch durch. In den zur Stadt Rees gehörenden Dörfern Grietherort und Grietherbusch wurden insgesamt 18 Männer und Frauen befragt. Zuvor gemachte alltägliche Beobachtungen ließen die Autorin vermuten, dass jüngere Bewohner:innen nicht mehr in erster Linie den Dialekt in Situationen mit vertrauten Gesprächspartner:innen verwenden, sondern eher eine regionale Umgangssprache. Um dies zu überprüfen, wurden Personen unterschiedlicher Generationen befragt: Generation 1 (GI, älter als 60 Jahre), Generation 2 (GII, zwischen 31 und 60 Jahre) und Generation 3 (GIII, 30 Jahre und jünger). Das Interview erfolgte mit Hilfe eines Fragebogens, der 31 Fragen zum Sprachverhalten und zur Sprachverwendung enthielt sowie 16 Wortschatzfragen und sechs zu übersetzende Wenkersätze. Der erste Untersuchungsteil sollte dokumentieren, wie die Sprecher:innen ihre eigene Sprachkompetenz einschätzen und wie sie ihren sprachlichen Alltag beschreiben. Der zweite Part war darauf ausgerichtet zu überprüfen, über welche Dialektkompetenz die Gewährspersonen tatsächlich verfügen

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Karte von Grieth und Umgebung | aus: Rheinischer Städteatlas. Grieth, 1992.
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Karte von Grieth und Umgebung | aus: Rheinischer Städteatlas. Grieth, 1992.

Basierend auf den Resultaten dieser Erhebung formulierte Elisabeth Peerenboom folgendes Ergebnis: In der dritten Generation hat sich ein Dialektverlust zugunsten der regionalen Umgangssprache vollzogen. Das heißt in den Situationen, in denen die älteren Sprecher:innen Dialekt verwendeten, beispielsweise im Gespräch mit Freund:innen, nutzen die jüngeren Gewährspersonen eine regionale Umgangssprache. Diese ist zwischen dem Hochdeutschen und dem ortsüblichen Platt angesiedelt. Der Wandel ist auch darauf zurückzuführen, dass viele ältere Proband:innen mit ihren Kindern (also den Angehörigen der dritten Generation) keinen Dialekt mehr sprachen. Viele der jüngeren Gewährspersonen beherrschten den Ortsdialekt daher nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr.

In formelleren Situationen tendierten alle Sprecher zum Hochdeutschen, wobei festzustellen war, dass die jüngste Generation hier eher ihre regionale Sprachform beibehielt. Dies ist möglich, weil dieser Regiolekt wesentlich weniger Merkmale beinhaltet, die sich vom Hochdeutschen unterscheiden, als der Ortsdialekt. Ein dat oder wat führt in einem Gespräch also noch nicht dazu, dass man nicht verstanden wird.

Abschließend stellte die Autorin im Jahr 1991 die Prognose auf, dass in Grietherort und Grietherbusch in Zukunft der Dialekt wohl am ehesten von landwirtschaftlich tätigen Männern verwendet werden wird, während gerade die jungen Frauen sich hiervon immer weiter entfernen werden. Jedoch zeigten die Antworten der Sprecherinnen auch, dass dies nicht auf eine geringere Wertschätzung des Dialekts zurückzuführen ist.

Der ausführliche Bericht zur Untersuchung mit Beispielen aus den Dialektübersetzungen kann hier eingesehen werden.