Sittarder Diphthongierung

Text

Im Dialekt der niederländischen Grenzstadt Sittard wird der in Gastwirtschaften angebotene Gerstensaft nicht Bier oder Beer genannt, sondern Beier. Die Farbe der Blätter am Baum heißt in Sittard nicht grön oder grün, sondern greun.

Anstelle des sonst im Dialekt üblichen einfachen Lautes (des Monophthongs) ist im Dialekt von Sittard also ein Zwielaut (ein Diphthong) zu hören. Welche Laute unter welchen Bedingungen betroffen sind, ist in der Doktorarbeit von Willy Dols nachzulesen, die 1953 posthum erschien. Dols hat zugleich das (frühere) Verbreitungsgebiet dieses Phänomens beschrieben, zu dem auch deutsche Orte in der Nähe von Sittard gehören oder gehörten, etwa Tüddern oder Saeffelen. In der niederländischen Umgebung Sittards werden die Zwielaute inzwischen zugunsten der "normalen" Monophthonge aufgegeben. Anzunehmen ist, dass sich in den deutschen Orten mit diphthongierenden Dialekten heute ein vergleichbarer Wandel vollzieht.

Diphtongierungsfälle dieses Typs sind im Dialekt von Sittard:
Breif 'Brief', leif 'lieb', scheite 'schießen', tillefeneiere 'telefonieren', veier 'vier 4'.
Bloum 'Blume', Brouer 'Bruder', goud 'gut', Stoul 'Stuhl', vlouke 'fluchen'.
Bezeuk 'Besuch', Gedeuns 'Gedöns', meugelik 'möglich', seuke 'suchen'.

Bild
Sittarder Diphthongierung | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
Bildunterschrift
Sittarder Diphthongierung | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Der hier ei geschriebene Zwielaut (Beier, Breif usw.) klingt etwa wie in deutsch hey. Die Karte zeigt die niederländische Provinz Limburg (mit Gennep, Weert, Roermond und Maastricht) sowie die sich östlich anschließende belgische Provinz desselben Namens (mit Maaseik, Lommel und St. Truiden). Eingezeichnet sind ferner die für die Dialekteinteilung wichtigen Linien.

Man wird davon ausgehen dürfen, dass diese Diphthongierungsfälle an der deutschen Seite der Grenze ebenfalls zurückgehen (zurückgegangen sind). Auf der Lautkarte probieren/proberen fehlen sie jedenfalls; in Sittard lautet dieses Tätigkeitswort probeiere bzw. perbeiere.