Weißbrot mit Rosinen/Korinthen

Text

"Münster ist ne schöne Stadt,
Weil sie so gute Bäcker hat;
Der Bäcker schlägt die Fliegen tot
Und backt daraus Korinthenbrot."

Das, was in dem zitierten Spottvers so pietätlos geschmälert wird (Schauerte 1960, S. 72), galt bis in dieses Jahrhundert hinein als das Feinste, das die überwiegend ländliche bzw. kleinstädtische Bevölkerung unseres Untersuchungsgebietes an Backwaren aufzutischen vermochte. Zu einer Zeit, als Sahnetorte und Schokoladenkuchen "alleen voor de enkele burgers die in welstand verkeerden" gebacken wurden (Jobse-van Putten 1993, S. 3), war Weißbrot schon eine nicht alltägliche Erscheinung und Korinthenbrot etwas ausgesprochen Festliches. Niederländischen Angaben zufolge wurde Korinthenbrot im ganzen Land nicht nur am häufigsten als Festtagsbrot genannt, sondern auch mit den meisten unterschiedlichen Festen in Verbindung gebracht (Jobse-van Putten 1993, S. 4).

Das Bild, das die Karte von der Verbreitung der drei Haupttypen (Rosinen/Korinthen) -brot, - stute(n) und –wegge vermittelt, entspricht in etwa der Karte Weißbrot: Einem niederrheinisch-westachterhoekschen –wegge-Gebiet steht –brot im Liemers sowie –stute(n) im Nordosten des Achterhoek, am nordöstlichen Niederrhein und im Westmünsterland gegenüber.

Bild
Weißbrot mit Rosinen/Korinthen | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
Bildunterschrift
Weißbrot mit Rosinen/Korinthen | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Auffällig bei der vorliegenden Karte ist – verglichen mit Karte Weißbrot – die Konsolidierung der einzelnen Gebiete und damit einhergehend die Reduktion konkurrierender Varianten in den einzelnen Ortschaften. So herrscht nun am deutschen Niederrhein und in Groesbeek fast ausschließlich –wegge, wobei die Staatsgrenze deutlich als Wortgrenze in Erscheinung tritt. Die standardsprachliche Form beider Schriftsprachen –brot, die auf Karte Weißbrot auch im Achterhoek und Westmünsterland häufig noch als Variante gemeldet wurde, ist zahlenmäßig schwächer vertreten und kommt geschlossen nur im Liemers und am niederländischen Nederrijn vor. Stute(n) schließlich ist zwar nicht länger linksrheinisch belegt, dafür nun aber fast konkurrenzlos im Westmünsterland, am nordöstlichen Niederrhein und im östlichen Achterhoek.

In den Fällen, wo etwa neben –brot bzw. -stute(n) auch –wegge genannt wurde (Silvolde, Millingen, Brünen, Winterswijk, Ruurloo und Lochem), muß es sich nicht jedesmal um wirkliche, d. h. bedeutungsgleiche Synonyme handeln. Vor allem im Norden Oost-Gelderlands und im Süden von Drente, wo stoete das übliche Dialektwort für 'Weißbrot' war, hieß das gewöhnliche Korinthenbrot erwartungsgemäß "krentenstoet", während "krentenwegge" – eine Dialektbezeichnung, die man eigentlich nur aus dem Süden unseres Untersuchungsgebietes erwarten würde – ein besonders feines, aber gehaltvolles Korinthenbrot bezeichnet, wie es etwa bei Geburten überreicht wurde (Jobse-van Putten 1993, S. 12).

Die beiden Bestimmungswörter Korinthen- ("Krinten-", "Krenten-") und Rosinen- ("Rosinne-", "rozien(en-)", "rezienen-", "ruziene-"), die auf altfranzösisch raisin (sec) bzw. raisin de Corinthe '(getrocknete) Weintraube (aus Korinth)' zurückgehen und zusammen mit Datteln und Feigen schon im Mittelalter beliebte hansische Handelsgüter waren, sind in den eingegangenen Antworten sehr ungleich vertreten. Unter den 100 gemeldeten Bezeichnungen befanden sich nur elf, die mit Rosine gebildet sind, und in allen elf Fällen galt im jeweiligen Belegort ebenfalls die parallele Bildung mit Korinthe.

Nicht in die Karte aufgenommen wurden die nur selten gemeldeten Formen "Kroamstuten" (Groß Reken, Südlohn), "kreentemik" (Groesbeek), "krintertarwen" (Groenlo, Lichtenvoorde) sowie "Prüümkestuten" (Vreden).

Der "Kroamstuten" ist ein überdimensionales, mit Rosinen und Korinthen reich bestücktes Weißbrot, das vor allem in den nordöstlichen Niederlanden und den angrenzenden Gebieten Nordwestdeutschlands anläßlich einer Geburt von den Taufpaten, nächsten Verwandten oder von den Frauen der Nachbarschaft der Mutter überreicht wurde (Jobse-van Putten 1993, S. 8, Karte 1; Sauermann 1983/85, Bd. 2, S. 74). Ein Rezept aus der Twente für ein solches fast zwei Meter langes und beinahe 50 Pfund schweres Riesenbrot sieht u.a. folgende Zutaten vor: 8,5 kg Mehl, 350 g Hefe, 170 g Salz, 100 g Zucker, 250 g Fett, 1 kg Zitronat und 7,5 kg Korinthen/Rosinen (Jobse-van Putten 1993, S. 73-75).

Das Grundwort in "kreentemik" wurde bereits in Verbindung mit der Karte Brot erläutert. Das Grundwort –tarwen 'Weizen(brot)' in der aus Groenlo und Lichtenvoorde belegten Zusammensetzung "krintentarwen" stellt selbst eine Kurzform des standardniederländischen tarwebrood 'Brot aus Weizenmehl' dar. Vor allem umgangssprachlich wird, soweit der Zusammenhang eindeutig ist, auf den zweiten Bestandteil –brood verzichtet (Woordenboek der Nederlandsche taal, Bd. 3, Sp. 995-997).

Prüümkes, das Bestimmungswort im Vredener Beleg, bedeutet eigentlich 'kleine Pflaumen', wird aber in den Komposita "Prüümkesstuten" bzw. Prüümkespapp (Papp bedeutet in diesem Zusammenhang 'Milchsuppe') im Sinne von 'Rosinen, Korinthen' verwendet (Piirainen/Elling 1992, S. 695).