Schwarzbrot
"Miseram eam, quae terram suam ederet"
"Armselig das Volk, das seine eigene Erde ißt" urteilte im Jahre 1586 der niederländische Jurist und Philologe Justus Lipsius über das Schwarzbrot Westfalens anläßlich einer Reise durch das Niederstift Münster (Gentner 1991, S. 44f.). Von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis in die Gegenwart wird Westfalen immer wieder anhand seines schwarzen Brotes charakterisiert (Gentner 1991, S. 44-51, 84-101). Vom italienischen Humanisten und späteren Papst Pius II. Aeneas Silvius Piccolomini (1405-1464: "Westfalen ist ein ziemlich kaltes, nicht besonders fruchtbares Land; man ißt dort schwarzes Brot und trinkt Bier") über den aus Laer (Kreis Steinfurt) gebürtigen Karthäuser Werner Rolevinck (1425-1502: "horrendus panis – schreckliches Brot") bis hin zu Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausen (um 1622-1676), dem bedeutensten deutschen Romancier des 17. Jahrhunderts ("… da [im Kloster Paradies bei Soest] lernete ich das schwartze Brod Fingers dick mit gesaltzenem Butter schmieren, und mit Käß belegen, damit es desto besser rutschte") und dem vor der französischen Revolution geflohenen Abbé Baston (1741-1825), der sich um 1800 mehrere Jahre in Coesfeld aufhielt ("Es gibt in der Natur nicht noch einmal zwei Dinge, die sich so sehr ähneln, wie ein Stück Schwarzbrot und ein Stück Torf"), für viele ist Schwarzbrot – wie übrigens auch Schinken, Bier und die geheimnisumwitterten Femgerichte des Mittelalters – ein typisches Merkmal westfälicher Eigenart. Nicht einmal beim Festmahl eines "Hexensabbats" durfte das Roggenschrotbrot fehlen, wie die Verhörprotokolle der Coesfelder Hexenprozesse des 17. Jahrhunderts berichten (Saatkamp 1993). Tatsächlich war bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts für große Teile Westfalens nordöstlich einer Linie von Wuppertal bis Minden das tägliche Brot aus geschrotetem Roggen. Feineres Weißbrot war zwar seit langem bekannt, doch war der Verzehr dieser kulturgeschichtlichen Neuerung aus dem Südosten eher auf Feiertage und feierliche Anlässe beschränkt (Wiegelmann 1973, S. 85). Auch die östlichen Niederlande kannten als tägliches Brot bis zum Zweiten Weltkrieg überwiegend nur das "roggenbrod", während vor allem in den westlichen Provinzen mit den tonangebenden städtischen Zentren Amsterdam, Rotterdam und Den Haag Brot aus Weizenmehl vorherrschte (Jobse-van Putten 1980, Karte 3, S. 138f., 94-100).