Pilz

Text

a) Begriff

Die ortsübliche dialektale Bezeichnung für den Pilz wurde, wie die der meisten Gegenstände, mit einer Zeichnung erfragt. Sie zeigt einige wildwachsende Pilze, bezieht sich also nicht auf Pilze - etwa Champignons – als Bestandteil eines Gerichts. Diese Unterscheidung ist jedoch wichtig, wie meine Befragung in den siebziger Jahren bereits ergeben hat. Für den Pilz als Teil eines Essens, etwa in einer Soße zum "Jägerschnitzel", ergab meine damalige Befragung im deutschen Teil des Untersuchungsgebiets fast immer das Standardwort, das alte Dialektwort wurde meist in der Einschränkung "wildwachsender Wald- und Wiesenpilz" genannt (Kremer 1979, Teil 1, S. 167; Teil 2, S. 138).

b) Heteronymik

Die Karte zeigt als gemeinsamen niederländischen und niederdeutschen Typ Paddenstool und Varianten. Diese Varianten lassen jedoch Arealbildung und standardsprachlichen Einfluss erkennen: Die westmünsterländisch-niederdeutsche Form ist Peddenstool. Relikte finden sich ebenfalls auf niederländischer Seite, jedoch nur in Haaksbergen, Ruurlo, Winterswijk und Silvolde, obwohl früher (vgl. Kremer 1979, Teil 2, S.138) noch allgemein Peddenstool gegolten haben muss (rekonstruiert nach der Bennenung für pad 'Kröte'). Hier hat also eine weitgehende lautliche Anpassung an die Standardform stattgefunden, und zwar nicht nur beim Stammvokal des Bestimmungswortes, sondern auch beim Ausfall des Fugen-n (Paddestool) im östlichen Achterhoek. Westlich der Linie Bronkhorst-Dinxperlo findet sich nur die Standardform paddestoel, die mit den Belegorten Keeken, Zyfflich und Kranenburg auch noch drei deutsche Grenzorte erfaßt (Paddestuhl). Der deutsche Niederrhein weist ansonsten die Variante Peddestuhl auf.

Neben dem Erbwort findet sich in Streulage, besonders im südlichen Westmünsterland, aber auch in Elten und Kleve, das hochdeutsche Lexem Pilz. Nach meiner Mitte der siebziger Jahre durchgeführten direkten Befragung, bei der Rückfragen nach Bedeutungsunterschieden möglich waren, ergibt sich für das Westmünsterland fast flächendeckend das Standardlexem mit wenigen Peddenstool-Relikte, desgleichen für den östlichen Achterhoek und für Twente.

Bild
Pilz | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
Bildunterschrift
Pilz | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

c) Wortgeographische Deutung

Die Karte zeigt beiderseits der Staatsgrenze das Vorrücken bzw. die punktuelle Ausbreitung des jeweiligen Standardlexems. Der Vorgang scheint jedoch noch nicht so weit fortgeschritten zu sein, was jedoch wie in vielen anderen Fällen auch wohl mit der Erhebungsmethode zu erklären ist, die eine Ermittlung des aktuellen Sprachgebrauchs der jüngeren und mittleren Generation nicht zuließ und etwa durch die Rückkoppelung an die Heimatvereine im Kreis Borken die Nennung veralteter Dialektelemente provozierte.