Fahrrad

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Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte Karl Freiherr Drais von Sauerbronn die zweirädrige Laufmaschine, die nach ihm auch Draisine genannt wurde. Nahezu 50 Jahre blieb die Erfindung unverändert, bis im Jahre 1867 P. Michaux sein mit Tretkurbeln versehenes, weiterentwickeltes und als Veloziped bezeichnetes Fahrzeug auf der Pariser Weltausstellung präsentierte. In den folgenden Jahren wurde das Fahrrad zunächst mit Vollgummi-, später mit Luftreifen ausgestattet, und um 1900 hatte es bereits eine Freilaufnarbe und Rücktrittbremse.

Im Erhebungsgebiet wurden die drei mundartlichen Bezeichnungen fiets, Fahrrad und Rad notiert.

Fahrrad – Rad

Die in der Mundart verwendete Bezeichnung Fahrrad (Farrad) ist eine Variante des Wortes in der Hochsprache. Bereits vor 1900 wurde die Bezeichnung Veloziped (gebildet aus lateinisch velox 'schnell' und pespedis 'Fuß') von Fahrrad abgelöst, als es Bestrebungen gab, Fremdwörter aus dem deutschen Wortschatz zu entfernen und sie durch deutsche Entsprechungen zu ersetzen. Häufiger noch als Fahrrad wird die Verkürzung Rad vermerkt.

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Fahrrad | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
Bildunterschrift
Fahrrad | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

fiets
 
Die mundartlichen Varianten Fietz, Fietze gehen auf die niederländische Standardbezeichnung fiets zurück. Die Herkunft dieses Wortes ist unklar. Möglich ist die verkürzende Bildung aus französisch vélocipède. Franck/ van Wijk geben ein Entstehungsdatum um 1870 in Apeldoorn an (Franck/van Wijk 1949, S. 163), und van Haeringen geht von einer lautmalerischen, dem Wort flitzen angelehnte Bildung aus (van Haeringen 1957, S. 128).

Zusätzlich zu den Bezeichnungen fiets und Fahrrad bzw. Rad wird diesseits der Grenze in den Orten Xanten, Rheinberg, Vreden, Stadtlohn und Groß Reken die scherzhafte Bezeichnung Drootäsel (hochdeutsch Drahtesel), in Winnekendonk und Rheinberg die veraltete mundartliche Variante Fillesepee (vgl. Veloziped) vermerkt.

Fahrrad bzw. Rad wird überwiegend im Westmünsterland, aber auch am Niederrhein (Schermbeck, Brünen, Dingden, Xanten, Kalklar und Kleve) verzeichnet. Fahrrad ist bis an die deutsch-niederländische Staatsgrenze belegt. Aus Leuth wird in einer Nebennennung "ok wel rad" vermerkt. Im Achterhoek, im Liemers und am Niederrhein befindet sich ein geschlossenes Wortareal mit dem Leittyp fiets. Im Westmünsterland ist dieses Wort weniger häufig belegt.

Im Nordwesten des Erhebungsgebietes, zwischen dem Westmünsterland und dem Achterhoek, fällt die Wortgrenze von Fahrrad mit der deutsch-niederländischen Staatsgrenze zusammen. Eine Wortgrenze für fiets ist hingegen nicht festzustellen. Es fällt auf, dass sich die Beleghäufigkeit von fiets von West nach Ost im gesamten Befragungsgebiet verringert, während die Belegzahl für Fahrrad von Ost nach West abnimmt. Es gibt nur einen Fahrrad-Beleg in den Niederlanden direkt an der Staatsgrenze.

Beiderseits der Grenze entlehnten die Mundarten das Dialektwort überwiegend aus der jeweiligen Standardsprache. Diesseits der Grenze drang vor allem am Niederrhein, vereinzelt auch im Westmünsterland die niederländische Standardbezeichnung in die Mundart ein. Die vorliegende Darstellung ergänzt die Karten von Cornelissen und Krieger sowie von Kremer. Cornelissen und Krieger verzeichnen fiets-Belege südlich bis zu einer Linie Köln-Aachen, hauptsächlich linksrheinisch (Cornelissen/Krieger 1990, S. 6). Kremer, in dessen Erhebungsgebiet das Westmünsterland als südlichster Bereich fällt, notiert dort vor allem Fahrrad- und Rad-Belege (Kremer 1979, Teil 2, S. 251). Folgt man auf dieser Karte dem Grenzverlauf jedoch in nördlicher Richtung, so häufen sich auf deutscher Seite in den Kreisen Meppen und Grafschaft Bentheim wiederum fiets-Belege (Kremer 1979, Teil 2, S. 261).