I-Dötzchen

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Wenn heutzutage von I-Dötzchen die Rede ist, dann oft in einem ausgesprochen freundlichen Ton. Das war aber wohl nicht immer so. Ein Dotz bezeichnet im Rheinland mancherlei Kleines, auch ein Kind kann damit gemeint sein. Ein Dötzchen ist dann wohl noch etwas kleiner – und wenn die ein wenig größeren Schulkinder die jüngeren als Dötzchen ansprachen, kam darin keine Hochachtung zum Ausdruck.
Die Karte basiert auf einem im Jahr 2005 verschickten ILR-Sprachfragebogen zum Regiolekt. Als Bezeichnung für den/die Erstklässler:in wurden darauf angeboten: I-Dötzchen, I-Dötzken, I-Männchen und I-Männeken.

Die Ergebnisse für die jungen Leute im Alter von 16 bis 24 Jahren (bezogen auf das Jahr der Befragung) sind auf der Karte zu finden. Eindeutig dominiert I-Dötzchen (gelb), das von den allermeisten Gewährspersonen (es waren vor allem Schülerinnen und Schüler) angekreuzt wurde. Vergleichsweise selten taucht I-Dötzken (orange) auf, vor allem im Norden, wo es auch „hingehört“: In den Dialekten nördlich der Benrather Linie ist die Verkleinerungssilbe -ken oder -ke beheimatet. Auf den umgangssprachlichen Fragebögen der älteren Altersgruppen war I-Dötzken relativ häufiger zu finden.

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DE-2086, LVR_ILR_0000642794
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Die beiden Varianten I-Männchen (hellgrün) und I-Männeken (dunkelgrün) wurden von den Jugendlichen wie auch von den älteren Altersgruppen insgesamt viel seltener angekreuzt als I-Dötzchen/I-Dötzken. Bei den folgenden Beispielen handelt sich um die Ergebnisse für die Altersgruppe 16-24 Jahre aus Wesel, Essen, Krefeld, Mönchengladbach, Düsseldorf, Radevormwald und Aachen (mit je zehn ausgewerteten Fragebögen pro Kommune). Die Antworten der jungen Leute verteilten sich wie folgt (Wes: Wesel; Ess: Essen; Kre: Krefeld; MG: Mönchengladbach; Düs: Düsseldorf; Rad: Radevormwald; Aac: Aachen, mit Mehrfachnennung; siehe Abbildung auf der rechten Seite).

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Anzahl der gemeldeten Belege für die einzelnen Varianten | © Georg Cornelissen, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
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Anzahl der gemeldeten Belege für die einzelnen Varianten | © Georg Cornelissen, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte

Die räumliche Verteilung der I-Männeken-Belege auf der Karte deutet daraufhin, dass diese Variante sich im Ruhrgebiet fortsetzen könnte, dessen östlicher Teil ja westfälische Sprachwurzeln hat.  

Das I oder i verdanken alle diese Bezeichnungen, wie immer wieder zu lesen ist, einer früheren Lehrmethode im ersten Schuljahr: Die Schreibübungen der Neulinge begannen seinerzeit mit dem (kleinen) i, so dass sich eine Benamung als I-Dötzken oder I-Männeken angeboten habe. Das I-Dötzchen wird, wenn es Aufnahme in deutschen Wörterbüchern findet, gern i-Dötzchen geschrieben.

Von den jungen Gewährsleuten wurden 2005 nur recht wenige Bezeichnungen ergänzt. So war zu lesen: kleine Kids (Hamminkeln), Erdmännchen (Duisburg) oder die Kurzen (Zülpich). Mehrfach wurden Zwerge genannt (unter anderem in Krefeld) und häufiger Erstklässler (unter anderem in Aachen).

Das Wort I-Dötzchen ist wohl einst im Rheinland entstanden. Aber es ist inzwischen längst über sein Ursprungsgebiet hinausgewachsen und dabei auch nicht auf die Ebene der gesprochenen Sprache beschränkt geblieben. Vom Rheinland breitet sich I-Dötzchen offenbar weiter in Deutschland aus, anzutreffen ist es recht häufig auch in den Medien. Im nördlichen Rheinland ersetzt die Variante mit ch, geht man von den Angaben der Jugendlichen im Jahr 2005 aus, heute zunehmend die stärker regional markierte Form I-Dötzken.

Von den älteren Gewährspersonen im Rheinland wurden 2005 auch einige andere regionale Bezeichnungen genannt: Das waren etwa in Duisburg das I-Stippken, oder in Mönchengladbach die I-Möppkes. Im Aachener Raum kam wiederholt der_ I-Köttel_ vor, auch das_ I-Köttelchen_. Beide begegneten auch im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis (unter anderem in Königswinter). Das_ I-Mimmschen_ kennen ältere Leute in Eschweiler. Ein Mimmsche ist im Dialekt ein ‚Kätzchen‘ (Mimm ‚Katze‘). 

Auf die Idee, Schulneulingen ein I- voranzustellen, ist man auch in anderen Teilen Deutschlands gekommen. So kennt man in Paderborn den I-Pummel oder I-Pümmel oder den I-Gacken in Trier. Im hessischen Treysa spricht man vom I-Möpschen, in Bernburg (Sachsen-Anhalt) vom I-Kacker und im fernen Suhl (in Thüringen) ist I-Göckser bekannt. Aber I-Dötzchen macht im überregionalen Vergleich das Rennen.

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I-Dötze in Siegburg | © Charlotte Rein, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY-SA 4.0
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I-Dötze in Siegburg | © Charlotte Rein, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY-SA 4.0

Dargestellt werden die Antworten für die Altersgruppe 16 – 24 Jahre (bezogen auf 2005). Lagen für eine Kommune zahlreiche Fragebögen für diese Altersgruppe vor, wurden nur zehn für die Karte berücksichtigt (die der zehn vom Alter her in der Mitte liegenden Personen). Wurde für eine Kommune nur eine einzige Variante gemeldet, ist das Kreissymbol einfarbig gefüllt. Das Halbe-halbe-Symbol zeigt an, dass zwei Varianten gleich stark waren. Kam eine Variante häufiger als eine/die zweite vor, wurde das Dreiviertelsymbol gewählt. Lila steht für eine andere zahlenmäßige Variantenkonstellation oder für eine weitere Variante (die nicht in der Kartenlegende aufgeführt ist).