Broch/Broich/Broek

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Das Rheinland wird zu Recht als eines der interessantesten Sprachgebiete des Deutschen bezeichnet: Nur selten findet man auf so engem Raum so viel sprachliche Vielfalt. Grund dafür ist in vielen Fällen der sogenannte Rheinische Fächer: Ein Geflecht von Isoglossen (= Sprach’grenzen‘), an denen sich unterschiedliche Lautformen gegenüberstehen. Sie führen auch dazu, dass es von zahlreichen Familien-, Orts- und Flurnamen im Rheinland mehrere Varianten gibt.

Ein Familienname mit einer Vielzahl an verschiedenen Schreib- und Aussprachemöglichkeiten ist Broch: Neben dieser Form gibt es noch die Formen BroichBroekBrock, Bruck und Bruch. Sie alle gehen auf das mittelhochdeutsche Wort bruoch bzw. auf das mittelniederländische broec, _brouc _oder das mittelniederdeutsche Wort brōk, _brūk _zurück (die wohl wiederum alle auf einer germanischen Wurzel *broka- basieren). Mit dieser Landschaftsbezeichnung wurden (und werden mit der Form Bruch noch heute) sumpfige Gebiete, wie Wiesen oder auch Waldstücke, benannt. Bei dem Familiennamen Broch und seinen Verwandten handelt es somit sich in vielen Fällen um sogenannte Wohnstättennamen: Wer in der Nähe eines solchen Sumpfgebietes lebte, konnte von seinen Mitmenschen zum Beispiel als Johannes Broich 'Johannes, der am Bruch wohnt' benannt werden. Aber auch ein "Umweg" über einen Ortsnamen ist möglich: Wurde eine solche Sumpfstelle trockengelegt und anschließend mit einer Siedlung bebaut, bekam sie häufig einen Namen, der noch an ihre ehemalige Gestalt erinnerte, z.B. Broich (mehrfach im Rheinland, z. B. bei Kürten und bei Jülich), Katzenbruch (bei Wuppertal) oder _Korschenbroich. _Diese Siedlungsnamen konnten dann wiederum auch zu Familiennamen werden.

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Dirks Vorgänger:innen wohnten wohl an einem Sumpf. | © DennisM2, CC0 1.0
Bildunterschrift
Dirks Vorgänger:innen wohnten wohl an einem Sumpf. | © DennisM2, CC0 1.0

Wie kommt es nun aber zu den vielen Varianten des Familiennamens? Wie schon die Belege aus den historischen Sprachstufen zeigen, gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen nördlichen (mittelniederländischen und mittelniederdeutschen) Formen und südlichen, mittelhochdeutschen Formen: die einen enden mit dem Laut /k/, die anderen mit dem ach-Laut (geschrieben <ch>). Dieser Gegensatz zeigt sich auch heute noch in den Namen Broch, Broich, BruchBroek, Brock, Bruck. Schaut man sich auf Geogen die Verbreitung der einzelnen Namen an, sieht man deutlich, dass auch hier ein Nord-Süd-Unterschied besteht: Namensträger*innen mit ch-Formen leben eher im südlichen Rheinland, k-Namen gibt es zumeist am Niederrhein. Erklären lässt sich dieses Phänomen nun mithilfe des Rheinischen Fächers, genauer gesagt der Benrather Linie, eine Isoglosse, die etwa auf der Höhe von Übach-Palenberg, Düsseldorf und Gummersbach quer durch das Rheinland verläuft. Südlich von ihr wurde der germanische Laut -k im Wortin- und auslaut regelmäßig zum ach- bzw. ich-Laut verschoben, nördlich von ihr blieb dieser Lautwandelprozess aus. So stehen sich in den Dialekten hier bis heute Wortformen wie makemache 'machen', DaakDaach 'Dach', KockKoche 'Kuchen' und eben auch BrokBroch 'Bruch' gegenüber.

Weitere Unterschiede sind bei der Lautung und Schreibung des Vokals zu beobachten: u, o, oi und oe kommen vor. Diese Variation ist auf verschiedene Entwicklungen zurückzuführen, unter anderem auf die frühneuhochdeutsche Diphthongierung. Bei diesem Sprachwandel veränderte sich der mittelhochdeutsche Diphthong uo regelmäßig zu dem langen Monophthong u: bruoder 'Bruder', bluot 'blut', guot 'gut'. Im Ripuarischen wurde das u meist weiter zu o gesenkt: Broder, Blot, jot. Die unterschiedlichen Schreibungen für diesen Laut rühren nun von einer weiteren rheinischen Besonderheit. In den mittelalterlichen Schreibsprachen des Rheinlandes wurde häufig durch ein nachgestelltes i oder e angezeigt, dass ein Vokal langausgesprochen wurde. Diese Kennzeichnung kennen wir heute nur noch in der Kombination ie für langes i, in rheinischen Ort- und Familiennamen haben sich aber auch andere dieser Schreibungen konserviert. Und sorgen immer wieder für Verwirrung: Wer Broich heißt musste bestimmt bereits mehr als einmal erklären, dass der Name nicht "Breuch" oder "Breusch" (jeweils mit ich-Laut) ausgesprochen wird!