Lammersdorf

Text

Lammersdorf ist ein recht beschaulicher Ort, der zur Gemeinde Simmerath im Nationalpark Eifel gehört. Im Dialekt des Dorfes wird der Ortsname Laimisch oder Lamisch ausgesprochen. Eine erste Betrachtung des Ortsnamens lässt eine leichte Erklärung der Herkunft und Bedeutung vermuten, scheint doch das Grundwort -dorf unspektakulär, das Bestimmungswort Lammers- sicherlich irgendwie deutbar. Nur die Aussprache des Ortsnamens im Dialekt will dazu nicht ganz passen …

Ein Blick in die Überlieferungsgeschichte des Namens ließ dann auch den Namenkundler und Sprachhistoriker Elmar Neuß stutzen: Der Ortsname ist zwar seit 1361 definitiv belegt, bis 1560/61 aber nur mit dem Grundwort -scheid, so im Erstbeleg als Lamberscheyt. Erst in den Quellen des 17. Jahrhundert taucht -dorf auf, seitdem aber auch ausschließlich. Der Ort hat also allem Anschein nach in der Zeit vom 16./17 Jahrhundert einen partiellen – da nur das Grund- nicht das Bestimmungswort betroffen ist – Namenwechsel mitgemacht.

Richtig verwirrend wird die Lage aber nun dadurch, dass es eine weitere, wesentlich frühere Überlieferung gibt, die in der Heimatliteratur bis dahin als ältester Beleg für die Herleitung des -dorf-Namens gewertet wurde: In einer Urkunde von 1213 steht das Wort Lambertstorp. Dieses gibt nun zwar gut Aufschluss darüber, wie das Bestimmungswort zustande kommt, nämlich als Ableitung des Personennamen Lambertus, die Frage nach dem zuerst vorhandenen Grundwort stellt sich aber jetzt erst recht. Neben der dialektalen Bezeichnung für Lammersdorf, also Laimisch oder Lamisch, lässt auch ein Blick auf die Landkarte -scheid als ursprüngliche Endung vermuten, kommt diese doch, im Gegensatz zu -dorf, in der Umgebung bei vielen weiteren Ortsnamen vor. So beispielsweise in Dickerscheid. Die dialektale Bezeichnung hierzu lautet Deckesch – also eine parallele Form zu Laimisch/Lamisch. Auch passt die Lage des Ortes auf einem Höhenzug oberhalb des Flusses Kall zu der Bedeutung von -scheid: 'Wasserscheide, Bergwald'. Eine genauere Betrachtung der Urkunde von 1213 zeigt dann außerdem keinen genauen Anhaltspunkt für die Annahme, dass mit dieser Erwähnung tatsächlich das heutige Lammersdorf gemeint ist.

Bild
Kirche St. Johann Baptist in Lammersdorf | © Michielverbeek, CC BY-SA 3.0
Bildunterschrift
Kirche St. Johann Baptist in Lammersdorf | © Michielverbeek, CC BY-SA 3.0

Bleibt also noch die Frage zu beantworten, warum der Ortsname in der Zeit des 16./17. Jahrhunderts das Grundwort änderte. Hier bietet Elmar Neuß eine stichhaltige Erklärung: In dieser Zeit entwickeln sich insbesondere im Rheinland die Mundarten und die Schriftsprache deutlich auseinander. Durch Eindringen und Übernahme der hochdeutschen Schriftformen auch in den Verwaltungseinrichtungen des Rheinlands, erschien den dortigen Kanzlisten, die diese neue Variante des Deutschen gewohnt waren, der wahrscheinlich etwa Lamersch gesprochene Ortsname (also die Aussprache von Lammerscheid) unvollständig. Man kann nun annehmen, dass sie ihn als Genitivform deuteten (des Lammers) und ihn deshalb für unvollständig hielten. Also wurde das im gesamten deutschen Sprachraum verbreitete Grundwort -dorf ergänzt und der Name erschien richtig und passend zu den Anforderungen der Kanzleisprache. Bestärkt wird diese Deutungsweise nun dadurch, dass der Monschauer Rentmeister, der seit 1560/61 erstmals und in der Folge regelmäßig die Amtsrechnungen für Lammersdorf ausfüllte, auch bei anderen Ortsnamen Änderungen zugunsten des Hochdeutschen vornahm!

Wer spricht noch Dialekt in Lammersdorf? Einen Bericht dazu gibt es hier.