Besitzverhältnisse: Possessiver Dativ

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Die rheinische Alltagssprache bietet ihren Sprecher:innen nun vielfältige Antwortmöglichkeiten auf diese Fragen, die je nach Region unterschiedlich häufig verwendet werden.

Beginnen wir im Süden: Dat is Anna ihr Buch wäre wohl die häufigste Antwort. Diese Konstruktion heißt "possessiver Dativ", im Gegensatz zum Hochdeutschen wird hier nicht der Genitiv verwendet, um deutlich zu machen wem etwas gehört (Das ist Annas Buch), sondern der Dativ (Anna ihr Buch).

Weitere Varianten hierzu wären Der Anna ihr Buch und dem Anna sing Buch. Wissenswertes zur Verwendung von Artikel vor Vornamen (der Anna) gibt es hier zu lesen und zur Verwendung neutraler ('sächlicher') Formen bei Frauenrufnamen hier.

Ganz im Norden des Rheinlands, im kleverländischen Dialektgebiet, wird eine andere Konstruktion verwendet, die hier vorgestellt wird.

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Beispiel einer rheinischen Possessivkonstruktion an der Albert-Einstein-Schule in Sankt Augustin-Niederpleis | © Charlotte Rein, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY-SA 4.0
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Beispiel einer rheinischen Possessivkonstruktion an der Albert-Einstein-Schule in Sankt Augustin-Niederpleis | © Charlotte Rein, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY-SA 4.0

Auch wenn sich die Verwendung des possessiven Dativs in der hochdeutschen (Schrift-)sprache (noch) nicht durchgesetzt hat – in der Alltagssprache im Rheinland ist sie sehr üblich. Hier würde in vielen Gesprächssituationen der Gebrauch des Genitivs bei den Zuhörenden sicherlich sogar zu Verwunderung führen, wie Georg Cornelissen an einem Beispiel in seinem Buch "Der Niederrhein und sein Deutsch" deutlich macht (S. 35):

"Wer sich auf der Straße mit seiner Nachbarin unterhält, mit der er seit Jahr und Tag in niederrheinischem Deutsch zu sprechen pflegt, der wird ganz schön auffallen, wenn er dann auf einmal vom Haus meiner Tante redet, das eine Kusine von ihm gerade geerbt hat: Da wird se noch viel Spass dran haben. Dat Dach des Hauses is kaputt, der Boden des Kellers is nich dicht, un wat dat Schlimmste is: Die Leute, die dat Haus der Gemeinden nebenan gemietet habm: dat sin vielleicht Rabauken! Nää, mit Tante Marias Haus könnste mich jagen! Etwas nüchterner formuliert: Nicht jede der Regeln, aus denen sich die Grammatik des Standarddeutschen zusammensetzt, gilt auch in der Alltagssprache. 'Falsches Deutsch' kann richtig guter Regiolekt sein und 'gutes Deutsch', am falschen Ort, zur falschen Zeit, ganz schön deplatziert klingen."

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Beleg für den "possessiven Dativ" aus einer Bonner Facebook-Gruppe
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Beleg für den "possessiven Dativ" aus einer Bonner Facebook-Gruppe