Kofferen (Kreis Düren)

Die Kofferaner Musikantensprache

Text

Kofferen, in der niederrheinischen Tiefebene zwischen Köln und Aachen gelegen, war um 1800 ein Ort, dessen "Bewohner*innen ihr Leben mehr recht als schlecht mit der Fabrikation von Birkenbesen fristeten." Um der Armut zu entkommen, begannen viele Kofferaner:innen um diese Zeit ein neues Leben als Wandermusizierende. Sie gründeten Tanzkapellen, die meist aus sechs bis acht, seltener aus zwölf Musiker*innen bestanden, und bereisten das ganze Rheinland, um auf Schützenfesten, Kirmesbällen, Hochzeiten oder Karnevalsumzügen aufzuspielen. Schon bald waren die Kofferaner:innen in der Region zum Markenzeichen geworden, der Kofferaner war das Synonym für herumziehende Musikant*innen. Kein Fest oder keine Tanzveranstaltung war mehr ohne Kapelle aus dem kleinen Ort zu denken. Die Musikant:innen waren derart erfolgreich, dass ihr Heimatort um 1900 als vergleichsweise wohlhabend galt, eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie die der Mausefallenkrämer aus Neroth.

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Ein Denkmal für die Musikanten: der Kofferaner Musikantenbrunnen | © bodoklecksel, CC BY-SA 3.0 und GNU
Bildunterschrift
Ein Denkmal für die Musikanten: der Kofferaner Musikantenbrunnen | © bodoklecksel, CC BY-SA 3.0 und GNU

Die Wanderreise einer Kapelle konnte bis zu mehreren Wochen dauern, an Tagen ohne festes Engagement spielten die Kapellen auch schon mal auf Marktplätzen oder an Straßenecken auf. Auf ihren Reisen lernten sie wie alle Landfahrer:innen dieser Zeit auch die Sprache der Straße – und schon bald konnte sich der ganze Ort in dem nun für die Kofferaner:innen typischen Rotwelschdialekt unterhalten. Auch heute sind Spuren dieser Musikantensprache im Ortsdialekt unüberhörbar, wie das Tonbeispiel aus Kofferen (siehe weiter unten) belegt. Na Kober, wie schävv-et ist noch heute eine gängige Begrüßung unter jungen Leuten, ein Bauer wird immer noch Kafferines genannt und ein Gastwirt ist selbstverständlich der Härjeskober, bei dem man einen schaskert oder achelt, aber nie 'einen trinken' oder 'etwas essen gehen' würde.

Die Kofferaner Musikantensprache ist ein idealtypischer Rotwelschdialekt, der neben dem rotwelschen Standardinventar auch ortstypische Besonderheiten aufweist, die zum Teil auch in der Ortsmundart gründen. Dazu gehören Wörter wie Bonnes 'Lückenbüßer', Schörrech 'Fahrrad' (zu mundartlich schörgen 'schieben'), Bronnachel 'Mütze', Räffak 'Bauer' (rückwärts gesprochener Kaffer), Zaffrong 'Respektsperson', Tullijus 'Nase' oder Länspichel 'abgestandenes Bier'. Überhaupt ist ein großer Teil des Wortschatzes dem Bereich "Gastwirtschaft" oder "Herberge" zuzuordnen, der schließlich der typische Arbeitsplatz der Musikant:innen gewesen ist: Dorrem 'Herberge' (in der man sich oft Jräcks 'Läuse' oder gar Fiebes 'Krätze' holte), Härrich 'Gaststätte', Härrijemoss 'Wirtin', Schächer 'Bier', Scheffje 'Glas', Schaskerrades 'Trinker', Fuckskesplöntschje 'Danziger Goldwasser', Jaijem 'Wein', Sorref 'Schnaps', schiebes 'volltrunken' oder Schaskermaijes 'Trinkgeld'. Auf die Profession der Wandermusizierenden verweisen dagegen nur wenige Wörter: laitze 'musizieren', Pichel 'Trompete' und stände 'aufspielen zum Tanz'. Auffällig sind einige Übereinstimmungen mit dem Bargoens, dem niederländischen Rotwelsch: fläke 'machen, tun', Flänts 'Milch', Pölt 'Bett', Räspede 'Haare', Treu 'Hose'.

Ein kurzes Textbeispiel aus einem Wirtshausgespräch macht deutlich, wie der örtliche Kofferaner Dialekt durch einige wenige rotwelsche Einsprengsel verfremdet und unverständlich wird: Mann, esch schäff Schrocks. Van hüt Morje aa ben esch op Trett, ohne tse maijmere. Rohn ens, et jit net mar Betsinem, et jibt och gebrohne Rebet on Kieversche on Rongele.

Wie die Kofferaner Musikantensprache klingt, hört man in diesem Tonbeispiel.