"Bertes", "Drickes" und "Mattes" – Männernamen auf -es

Text

Im Rheinland haben sich in den vergangenen Jahrhunderten zahlreiche Kurz- und Koseformen von Vornamen entwickelt. Dabei zeigt sich bei vielen männlichen Namenvarianten eine Gemeinsamkeit – sie enden auf -es: Bertes (Albert, Hubert, …), Drickes (Heinrich, selten Dietrich), Meves (Bartholomäus), Tünnes (Antonius) und viele mehr.
 
 Die meisten dieser Namen auf -es sind schon sehr alt, ihre Entstehung reicht bis ins Mittelalter zurück. Dass gerade zu dieser Zeit viele regionale Namenvarianten entstanden sind, ist kein Zufall: Im Laufe des Mittelalters gab es einen Umbruch im Namenschatz, der die Rufnamengebung nachhaltig veränderte. Durch die seltenere Vergabe vieler germanischer Namen (wie AlfhelmGumbolt oder Thiedolf, siehe Bergmann 1964) und die zunehmende Verwendung von Heiligennamen (z. B. JohannesAntoniusJacobus), fand eine Rufnamen-Konzentration statt, d.h. einige wenige Namen wurden immer beliebter, was eine Verkleinerung des Namenschatzes zur Folge hatte. So hießen 1417 in Köln 22,4 % aller Männer Johann(es) (Hartig 1967, S. 82; zum Vergleich: 2017 wurde der häufigste männliche Vorname Paul in Köln an nur 0,76 % aller Neugeborenen vergeben). Da außerdem im Mittelalter die Nachbenennung innerhalb der Familie immer beliebter wurde, kam es nun häufig dazu, dass innerhalb einer Familie derselbe Name mehrfach vorkam. So konnten beispielsweise Sohn, Vater und Großvater Heinrich heißen. In solchen Fällen halfen Namenvarianten, um ohne umständliche Erklärungen eindeutig machen zu können, welche Person gemeint war. So wäre es möglich, dass in einer rheinischen Heinrich-Familie der Großvater Hendrich, der Vater Drickes und der Sohn Henn gerufen wurde. Viele der so entstandenen Namenformen sind bis heute im Rheinland gebräuchlich. Einige wenige haben sich zu eigenständigen Namen weiterentwickelt (Mattes – Matthias), die meisten werden weiterhin im alltäglichen Sprachgebrauch als informelle Rufnamen anstelle des Taufnamens verwendet.

Bild
Hendrich, Drickes oder Henn - wie hätte Heinrich II. im Rheinland wohl geheißen? | © gemeinfrei
Bildunterschrift
Hendrich, Drickes oder Henn - wie hätte Heinrich II. im Rheinland wohl geheißen? | © gemeinfrei

Wie kommt es nun aber dazu, dass zahlreiche dieser rheinischen Namenvarianten gerade auf -es enden?
Vielen dieser Varianten liegen nichtgermanische Namen zugrunde, deren Grundform auf -us, -ius, -äus, -as, -ias oder -es enden: Jacobus – Köbes, Antonius – Tönnes, Bartholomäus – Meves/Möbius, Andreas – Drees, Matthias – Teves/Mattes, Johannes – Hännes. Diese zumeist lateinischen oder griechischen Namen wurden bei der Übernahme in die deutsche Sprache (in diesem Fall in die rheinischen Mundarten) der dortigen Lautung angepasst. Die Betonung wurde auf die erste Silbe verlagert (Tönnes – Antonius), was häufig zur Abschwächung der letzten Silbe führte, so wurden die vollen Vokale am Ende des Namens (i, u, ä, a) zu einem "gemurmelten" e-Laut (Schwa-Laut). Daraus ergibt sich die einheitliche Endung -es an den rheinischen Formen dieser Namen. Doch nicht nur die fremden Namen endeten im Mittelalter auf -us: Zeitweise war es beliebt, auch germanische Namen mit dieser Endung zu versehen und sie auf dieser Weise zu latinisieren. So wird im Urkundenbuch der Abtei Heisterbach im Siebengebirge mehrfach der Name Adolfus (zu Adolf) genannt, Goswinus (zu Goswin) findet sich oft in den Kölner Schreinsbüchern und ein Gwylhelmus (zu Wilhelm) studierte 1488 in Köln. Auf derartige Grundformen sind dann Kurzformen wie Grades (Gerhard), Manes (Hermann) oder Lubes und Wikes (beide Ludwig) zurückzuführen.

Besonders beliebt war die -es-Endung allem Anschein nach in Winnekendonk am Niederrhein: Hier finden sich sogar zwei weibliche Namen auf -es, Stirnes (Christine) und Mernes (Wilhelmine) (Cornelissen 1989, S. 206).

Aus vielen dieser rheinischen es-Namen haben sich im Laufe der Jahrhunderte Familiennamen entwickelt. Solche sogenannten Patronyme (Vaternamen) gehen auf männliche Vornamen zurück – im Falle von Baltes (Balthasar), Gilles (Aegidius), Görres (Georg), Nelles (Cornelius) und Noltes (Arnold) beruhen sie nicht auf der "offiziellen" Form des Rufnamens, sondern auf der alltäglich verwendeten, dialektal geprägten Kurzform.