Ru(h)r

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Bei solchen Dopplungen drängt schnell sich die Vermutung auf, dass die Namen miteinander verwandt sind. Ein Blick in die historischen Überlieferungen der Namen in alten Urkunden, auf Karten oder in anderen Schriftstücken, kann diese Annahme aber durchaus widerlegen: So geht der Name der Stadt Bornheim, gelegen zwischen Köln und Bonn, vermutlich nicht wie andere gleichlautende Ortsnamen auf althochdeutsch brunno 'Brunnen, Quelle' zurück, sondern auf den männlichen Personennamen Bruno. Und auch der Ortsname Meckenheim, einmal zu finden im Rheinland, 20 km westlich von Bonn, und einmal in der Pfalz, 25 km südwestlich von Mannheim, hat wohl zwei verschiedene Ursprünge. Der rheinischen Variante liegt der weibliche Personenname *Magiheid oder *Megheed zugrunde, während in der Pfalz ein Mann Namenspate war: Macko.

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Ru(h)r - Gewässernamen | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
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Ru(h)r - Gewässernamen | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Doch zurück zu Ruhr und Rur. Im Gegensatz zu den genannten Beispielen trügt hier der Schein nicht und die beiden Namen haben dieselbe Wurzel, wenn sich auch heute die Schreibungen unterscheiden. Die frühen Belege der Flussnamen aus dem 8. und 9. Jahrhundert lauten identisch Rura. Hierbei handelt es sich um eine sehr alte Bezeichnung, die den sogenannten alteuropäischen Gewässernamen zugeordnet wird und die auf die Wurzel *reu-/ru- zurückgeht, was 'aufreißen, graben' bedeutet. Eine solche Ausgangsbedeutung ist typisch für die alteuropäischen Namen, sie sind zumeist abgeleitet von Bedeutungen aus dem Wortfeld 'fließen, strömen, Fluss, sumpfig' oder von Beschreibungen von Eigenschaften des Wassers (z. B. Farbe, Geschwindigkeit, Wasserstand). Die Ru(h)ren scheinen also sehr wilde, viel Wasser führende Flüsse (gewesen) zu sein, die sich ein auffällig breites bzw. tiefes Flussbett gegraben haben.

Gelegentlich ist aber auch zu lesen, dass der Name vom althochdeutschen (h)ruora 'heftige, eilige Bewegungen' (damit ist hochdeutsch rühren verwandt) abstamme, parallel zur gleichnamigen Darmerkrankung. Dies scheint aber unwahrscheinlich, da es auch außerhalb des germanischen Sprachraums zahlreiche vergleichbare Gewässernamen gibt (z. B. in der Ukraine, in Slovenien, Serbien und Litauen), was für einen gemeinsamen älteren Ursprung spricht.

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit treten für die beiden Flüsse viele verschiedene Schreibungen auf: Rure, Ruer, Ruhr, Rur, … Erst um 1900 erfolgt dann eine Regelung der Schreibformen, um die beiden Flussnamen zumindest graphisch unterscheiden zu können. Die Eifel-Rur schreibt sich seitdem ohne h, an die alte Schreibung des Flussnamens erinnern aber bis heute noch die Ortsnamen Einruhr und Erkensruhr. In den Niederlanden heißt die Rur übrigens Roer, was genauso ausgesprochen wird, wie die deutsche Form.