Straßennamen mit Leprabezug

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Lepra ist eine Krankheit, die uns im Europa des 21. Jahrhunderts kaum Sorge bereitet. Das war von der Antike bis in die Neuzeit jedoch anders: Die ansteckende Krankheit, die Schäden an Haut, Knochen und Nerven hinterlässt, kostete vielen Menschen das Leben. Man musste einen Weg finden, mit der Seuche umzugehen. Wie das im Rheinland aussah, erkennen wir heute unter anderem an entsprechenden Flurnamen.

Flurnamen sind die Namen von kleinräumigen Geländeabschnitten wie Wiesen, kleinen Wäldern und Hügeln, oder von eng gefassten Ortsteilen innerhalb von Siedlungen. Sie gehen häufig in Straßennamen auf und sind dann heute noch leicht nachvollziehbar.

Vor allem im zentralen Rheinland nannte man Lepraerkrankte oder „Aussätzige“ auch Melaten oder Malaten. Dabei handelt es sich um ein Lehnwort aus dem mittellateinischen malatus ‘krank, schwach‘, das zu frz. malade ‘krank‘ zu stellen ist. Die so bezeichneten Erkrankten waren in vom Rest der Bevölkerung getrennten Häusern, sogenannten Leprosorien, untergebracht. Spätestens seit der Covid-19-Pandemie sind wir alle mit Social Distancing vertraut: Durch Kontaktvermeidung zu potenziell infizierten Menschen kann man das Risiko einer Ansteckung verringern. Auf eine solche Unterkunft bezieht sich der Flurname.

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Das Wahrzeichen des Kölner Melatenfriedhofs: Der Sensenmann | © Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)
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Das Wahrzeichen des Kölner Melatenfriedhofs: Der Sensenmann | © Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)

Historische Quellen zeigen unter anderem die folgenden Belege:

1398 malatenkotten in Köln-Rodenkirchen
1417 tegen den Melatenhues in Rees
1438 (bei den) Melaten in Düren
1486 baeven Melaeten in Aachen-Laurensberg
1568 up dat Melayt-Hoeyss in Boslar (Kreis Düren)

Heute gibt es noch einige Straßennamen, die an die Leprosorien erinnern: Melatener Straße (Aachen), Melatener Weg (Aachen und Köln), Melatengürtel (Köln), Melatenstraße (Goch und Waldfeucht) und Melatenweg (Rees).

Ein weiterer Name für Leprosorien ist Siech(en)haus. Der Bestandteil siech- geht zurück auf mhd. siech, ahd. sioh, urgerm. *seuka- ‘krank‘ (vgl. altsächsisch siok, altfränkisch siāk). Es entspricht dem englischen sick und dem niederländischen ziek (beide bedeuten ebenfalls ‘krank‘). Mit einem modernen Krankenhaus hat ein solches Siechenhaus nichts zu tun. Die medizinische Versorgung war noch rudimentär, aber zumindest bekamen ortsansässige und zahlungsfähige Erkrankte ein Dach über dem Kopf.

In historischen Aufzeichnungen finden sich beispielsweise diese Angaben:

1363 am Seichenhuise (Essen)
1620 ahm Sieghaus (Bonn)

Im Rheinland gibt es heute noch die Straßennamen Siechenhausstraße (Duisburg) und Siechhaus (Zülpich).

Wer an Lepra erkrankt war, verbrachte aber nicht den Rest seines Lebens innerhalb eines Siechenhauses. Spätestens im 14. Jahrhundert trugen Leprose spezielle Kleidung, an der sie als solche erkennbar waren. Dazu gehörten unter anderem ein großer Hut und Handschuhe, außerdem eine Klapper, mit der man sich ankündigen musste. Nach diesem Gerät wurden einige Straßen benannt, in denen sich Leprosorien befanden. Die heutigen Klappergassen im Rheinland scheinen ihren Namen aber nicht von diesen Einrichtungen erhalten zu haben: Die Aachener Klappergasse zum Beispiel erhielt ihren Namen durch eine nahegelegene Mühle.

Im südlichen Rheinland gab es eine euphemistische, das heißt beschönigende Bezeichnung: Gutmann oder Gutleute. Auch diese Benennung findet sich in Flurnamen, wie in einer Quelle von 1483 aus Herchen im Rhein-Sieg-Kreis: Goitmanseichen. Entsprechende Straßennamen gibt es zwar im Rheinland nicht (mehr), man findet sie aber im süddeutschen Raum.

Denken wir heute an Seuchen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, kommt uns sofort die Pest in den Sinn. Diese einschneidenden Pandemien, die ganze Landstriche fast entvölkerten, haben ihre Spuren jedoch nur selten in Flur- und Straßennamen hinterlassen. In Bonn-Schweinheim gibt es die Pestkapelle, die dem Heiligen Sebastianus geweiht ist. Sebastianus wird zum Schutz gegen die Pest verehrt. Taucht das Wort Pest in anderen Kontexten in topografischen Namen auf, bezieht es sich normalerweise nicht auf den sogenannten Schwarzen Tod. Pest ist entlehnt aus lat. pestis ‘ansteckende Krankheit, Seuche‘ und konnte ursprünglich Seuchen im Allgemeinen bezeichnen. Daher verwundert es nicht, dass die Plätze, an denen man verendete Tiere verscharrte, zum Beispiel Pesthof nannte. Eine Straße mit diesem Namen gibt es heute noch in Emmerich.