Im Siefen/Im Siepen (mehrfach im Rheinland)

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Deutlich wird dies an der Verbreitung von Straßennamen mit dem Bestandteil Siepen (orange) beziehungsweise Siefen (grün). Gibt man die beiden Begriffe in das Tool "Wie oft gibt es Ihre Straße?" der Zeitung "Die Zeit" ein, ist deutlich zu sehen, dass Straßennamen wie Am Langen Siefen (Odenthal) oder Im Vogelsiepen (Wuppertal) so gut wie ausschließlich im Rheinland und im angrenzenden Sauerland vorkommen. Ein Blick in das Rheinische Wörterbuch (Bd. 8, S. 48) macht schnell deutlich warum: Siefen, Siepen und Seifen sind typisch rheinische Landschaftsbezeichnungen. Sie wurden häufig als Flurnamen, das heißt zur Benennung von kleinräumigen Teilen der Landschaft wie Äcker, Wiesen oder Waldstücken verwendet. Die so bezeichneten Gebiete hatten das Merkmal 'morastiger, sumpfiger Boden' gemeinsam, ansonsten weisen die Begriffe ein recht breites Bedeutungsspektrum auf - vom 'engen, schluchtartigen Tal mit Rinnsal' im Bergland, bis hin zu einer 'feuchten Stelle in Acker oder Wiese' im Flachland. Zugrunde liegt den Bezeichnungen das mittelhochdeutsche Wort sîfen beziehungsweise das mittelniederdeutsche/mittelniederländische Wort sîpen: Beide bedeuteten 'tröpfeln, triefen'. Um die unterschiedlichen Siefen und Siepen voneinander unterscheiden zu können, wurden sie meist durch ein Bestimmungswort ergänzt. Hierbei handelt es sich häufig um Gewässerbezeichnungen (Bonnen-, Pütz-), Tierbezeichnungen (Wolf-, Fuchs-) oder Bodenarten (Stein-, Kalk-). Alternativ konnten die Namen durch ein Attribut erweitert werden: düster, lang, groß und tief kamen besonders häufig vor (Vogelfänger 2010, S. 166).

Wie die Verteilung der heutigen Straßennamen auf der Karte schon vermuten lässt, waren Flurnamen wie Eulensiefen (Kürten) oder Im Bergsiepen (Gummersbach) in den bergigeren Regionen des Rheinlands am häufigsten: im Bergischen Land und in der Eifel. Und hier sind die alten Flurnamen dann oft zu Straßennamen geworden, entweder in ihrer ursprünglichen Gestalt oder durch den Zusatz -weg oder -straße (z. B. Siepenstraße in Mülheim an der Ruhr, Oberhausen und Gummersbach, Locksiefener Weg in Windeck).

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Straßennamen mit Siefen (grün) und Siepen (orange), "Wie oft gibt es Ihre Straße?" | © Zeit online
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Straßennamen mit Siefen (grün) und Siepen (orange), "Wie oft gibt es Ihre Straße?" | © Zeit online

Der Unterschied zwischen Siepen und Siefen ist ebenfalls dialektal bedingt: Siepen ist die niederdeutsche Form, die in den Dialekten nördlich der Benrather Linie vorkommt, Siefen die hochdeutsche Form, die die Zweite Lautverschiebung mitgemacht hat. Der gleiche Gegensatz ist in schloofe - schloope 'schlafen' oder sufe - supe 'saufen' zu beobachten.

Da das Rheinische Wörterbuch neben den bis jetzt berücksichtigten Formen Siefen und Siepen auch noch die Variante Seifen angibt, wird nun noch überprüft, ob diese auch in Straßennamen vorkommt (mehr als zwei Formen können im Zeit-Straßennamentool nicht gleichzeitig eingegeben werden). Die Gegenüberstellung von Siefen (gelb) und Seifen (blau) zeigt, dass Straßennamen mit Seifen ebenfalls vorkommen. Und erneut fällt eine recht deutliche geographische Verteilung der beiden Varianten auf: Seifen kommt zumeist südlich und westlich des Rheinlandes vor. Auch diesem Unterschied liegt eine reguläre sprachliche Entwicklung zugrunde, die sogenannte frühneuhochdeutsche Diphthongierung. Diese sorgte zum Beispiel auch dafür, dass im Rheinland Wing beziehungsweise Win getrunken wird, an der Mosel und in der Pfalz aber Wein.

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Straßennamen mit Siefen (gelb) und Seifen (blau), "Wie oft gibt es Ihre Straße?" | © Zeit online
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Straßennamen mit Siefen (gelb) und Seifen (blau), "Wie oft gibt es Ihre Straße?" | © Zeit online